Das Potenzial branchenübergreifender Netzwerke verändert den Handel.
von Christoph Jung
Was haben Ökosysteme mit Händlern und Marktplätzen zu tun? Eine Menge – denn der Marktplatz der Zukunft verhält sich ähnlich wie ein Ökosystem in der Natur, wo verschiedene Lebewesen einen gemeinsamen Lebensraum teilen und aufeinander angewiesen sind. Auch auf digitalen Marktplätzen stehen Anbieter aus verschiedenen Branchen miteinander und mit ihren Nutzern in Verbindung. So entsteht ein gemeinsamer Lebensraum von unterschiedlichen Diensten, Händlern und Nutzern.
Treiber dieser neuen Ökosysteme ist die fortschreitende Digitalisierung. Mit ihr verschwimmen die Grenzen der einzelnen Branchen und Wirtschaftszweige immer mehr. Manche Unternehmen lassen sich nur noch schwer einer Kategorie zuordnen. Nehmen wir Amazon als Beispiel: Die Plattform ist längst nicht mehr nur Marktplatz für Online-Händler, sondern bietet inzwischen auch E-Books und Video-Streaming an, produziert eigene Serien und hat mit Amazon Pay ihre eigene Bezahl- bzw. Check-out-Lösung entwickelt. Anders als die meisten Shops, war Amazon von Anfang an ein digitales Unternehmen. Traditionelle Händler müssen jetzt nachziehen, um den nächsten Schritt in der Digitalisierung zu gehen – und zwar in Richtung digitales Ökosystem.
Wachsende Lebensräume
Digitale Ökosysteme bringen einen entscheidenden Faktor mit sich, den es so bisher im Handel nicht gab: Sie verfügen über eine eigene Wachstumsdynamik, die sich aus dem Netzwerk speist. Ein Beispiel hierfür ist die Lifestyle- und Payment-Plattform Alipay. Die App aus China hat mittlerweile mehr als 500 Millionen Nutzer. Dadurch kann Alipay auf enorme Mengen an Kapital zurückgreifen und seine Dienste immer weiter ausbauen. Mit neuen Angeboten aus angrenzenden Branchen werden zusätzliche Nutzer gewonnen, die innerhalb des Systems wiederum auf weitere Anbieter aufmerksam gemacht werden. Durch die intuitive Handhabung, personalisierte Angebote und Contents sowie vernetzte Services bindet Alipay seine Kunden besser an sich, als es Einzellösungen können. Dem Wachstum scheinen so nahezu keine Grenzen gesetzt zu sein.
In Ökosystemen geht es nicht mehr nur um das bloße Einkaufen, sondern um den Aufenthalt in einem ganzheitlichen System, einem Lebensraum, einem Lebensgefühl. Die Payment-Option ist hier eine Funktion von vielen – aber eine wesentliche. Denn nur mit integriertem, einfachem Payment lässt sich das gesamte Einkaufserlebnis innerhalb eines Systems abbilden. Und genau das wollen die Nutzer heute immer häufiger: Ein nahtloses Erlebnis, das von Anfang bis Ende innerhalb eines Systems und in einer vertrauensvollen Umgebung stattfindet. Eine große Bandbreite an verschiedenen Diensten und Funktionen soll jederzeit und sofort abrufbar sein, möglichst über nur einen einzigen Kanal.
Alipay ist dabei also mehr als eine reine Mobile Payment-App: Nutzer können sich in der Community austauschen, Shops bewerten, nach Angeboten und Händlern suchen und sogar ihre Finanzen verwalten. Es kommen hier eine Reihe von Diensten zusammen, die aufeinander verweisen und so echten Mehrwert bieten, den sie für sich allein stehend nicht liefern könnten. So können digitale Ökosysteme wie Alipay zu einem festen Bestandteil des Alltags ihrer Nutzer werden.
Den Blick für die Digitalisierung öffnen
Nutzer werden sich zukünftig immer öfter in digitalen Lebensräumen aufhalten, die ein Netzwerk aus branchenübergreifenden, zusammenhängenden Funktionen bieten, und immer seltener auf Einzellösungen zurückgreifen. Wie genau die Digitalisierung den Handel verändern wird, kann zu diesem Zeitpunkt wohl niemand mit Sicherheit sagen. Doch schaut man sich die bisherigen Entwicklungen an, dann wird eines deutlich: Der Trend geht hin zu wachsenden, integrativen Ökosystemen, die aus Partnerschaften unterschiedlichster Dienste bestehen – und große Dimensionen annehmen können. //
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