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Teil 3: Einleitung

Wie inspirierend kann Technik sein? Von Automatisierung und Neugeschäft …

Standortbasierte Dienste oder Location-based Services (3.7), um Kunden zu einem gewünschten Produkt zu führen oder Hinweise zu Sonderangeboten zu geben, sind auf dem Vormarsch. Die Daten, die durch diese Technologie entstehen, können schlau ausgewertet werden, um mehr über den Kunden zu erfahren. CRM und Big-Data-Auswertungen generieren Advanced Analytics bis hin zum Predictive Marketing und zur Marketing-Automation. (3.2) Zusätzlich sprengt der Handel mit Zukunft auch die Grenzen – zwischen Absatzkanälen, zwischen Netzwerken und zwischen Ländern. Nationale Standards bei der Kartenzahlung am POS sind nicht mehr unüberwindlich (3.8). Einheitliche Terminals vereinfachen zum Beispiel die Prozesse und senken Kosten. Um viele Kunden persönlich mit den passenden Botschaften zu erreichen, stehen Content-Delivery-Netzwerke (3.14) und Content-Delivery-Plattformen (3.13) zur Verfügung. Beim richtigen Einsatz der neuen Technologien und Lösungen kann das Neugeschäft angekurbelt werden und PIM-Lösungen (3.16) helfen dabei, die Produktdaten in den Griff zu kriegen.

Touchpoints managen

Customer-Experience-Management am Point of Sale

von Maike Burger und
Dr. Carmen-Maria Albrecht

Decathlon, München. Ein neues Sportgeschäft mit riesigem Sortiment mitten in der Innenstadt von München? Eigentlich kaum denkbar, große Flächen in exponierter Lage – unbezahlbar. Und es gibt den Standort trotzdem. Vor Ort wird nur eine Auswahl an Produkten gezeigt, das komplette Sortiment ist online verfügbar. Der Kauf kann im Laden getätigt werden, die Ware wird direkt nach Hause geschickt.

Eine perfekt gestaltete digitale Customer-Journey, die an die Bedürfnisse des Großstadtkunden angepasst ist: ohne Auto zu erreichen, im Produktfokus Sport als Ausgleich zum stressigen Job und dann auch noch shoppen, ohne Einkäufe tragen zu müssen.

Doch nicht nur die Kundenbedürfnisse werden damit getroffen, sondern auch und vor allem zieht Decathlon daraus Mehrwerte: Die Ware wird erlebbar gemacht, eine breite Masse an Kunden wird erreicht und die Lagerhaltungskosten vor Ort sind dank digitaler Regalverlängerung gering. Hinter dem Nutzen und den Vorteilen steht eine ausgeklügelte Strategie. Hier werden nicht simpel technische Touchpoints aneinandergereiht, sondern sinnvoll verknüpft und effektiv gemanagt.

Mit drei Hebeln zum effektiven Touchpoint-Management

Um Touchpoints managen zu können, muss sich ein Unternehmen über Sinn, Zweck und Ziel jedes einzelnen Elementes klar sein. Und das bereits im Vorfeld. Ein Hebelmodell hilft bei der Strukturierung und bei der Entscheidung für oder auch gegen die Einführung einzelner Touchpoints.

Entscheidend dabei sind erstens die Bedürfnisse des Kunden, zweitens die Kennzahlen, die das Unternehmen damit optimieren möchte, und drittens die Verknüpfung beider zu einer optimalen Customer-Journey mit maximaler Kundenzufriedenheit.

Hebel 1:
Was will der Kunde, welchen Nutzen zieht er aus dem Touchpoint?

Der Mittelpunkt jeder Überlegung ist der Kunde. Wie sieht der idealtypische Kunde aus? Gibt es Klassen oder Gruppen von Kunden, die sich zusammenziehen lassen, die sich ähnlich verhalten, ähnliche Bedürfnisse haben? Die einfachste Form der Differenzierung ist eine Unterteilung in den klassischen Online-Shopper, den klassischen Offline-Shopper und eine Mischform aus beiden.

Idealerweise werden diese Kundensegmente im nächsten Schritt mit Daten von echten Kunden angereichert. Sei es aus Kundenbefragungen oder aus bestehenden Datenanalysen. Dabei wird schnell klar, ob die Kundenkategorien passen und wie sich die Kunden prozentual auf sie verteilen. Also auf welchem Kundensegment aktuell der Fokus liegt und auch wo noch Potenziale sein könnten.

Um in der Analyse weiter voranzukommen, hilft vor allem die Bildung und Zuordnung von Kundenbedürfniskategorien. Häufig sind hier Schlagwörter wie „einfach/convenient“, „schnell/Sofortness“, „personalisiert“ oder „anfass- und probierbar“ zu finden.

Und die Fragen: Warum kommt ein Kunde in den physischen Standort? Warum bestellt er das Produkt nicht direkt online, sondern macht sich die Mühe, in das Geschäft zu kommen? Welche Erwartungshaltung hat er, wenn er den Store betritt? Und wie muss das Erlebnis vor Ort gestaltet sein, damit seine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen werden?

Diese Fragestellungen unterstützen ein exploratives und sukzessives Vorgehen. Es werden wertvolle Informationen darüber gewonnen, wie die Interaktion mit dem Kunden aussehen sollte. Die digitalen Touchpoints sollen helfen, dass er sich wohl und gut betreut fühlt, sodass er nicht nur einmal kauft, sondern wiederkommt und letztendlich Stammkunde von Marke und Geschäft wird.

Hebel 2:
Welche Ziele verfolgt das Unternehmen, welchen monetarisierbaren Mehrwert bietet der Touchpoint?

Neben der Kundensicht ist die Analyse der Bedürfnisse des Unternehmens ein wesentlicher Bestandteil eines strategischen Hebelmodells. Die Ziele müssen klar festgelegt werden: Sollen Frequenz und/oder Umsatz gesteigert werden? Mehr Interessenten und/oder Kunden generiert werden? Soll die Kundenzufriedenheit in Form von Customer-Satisfaction-Index oder Net-Promotor-Score gesteigert werden? Oder stehen Effizienz-, Ablaufoptimierungen, Kostensenkungen im Vordergrund?

Die Zielrichtung entscheidet über alle weiteren Aktivitäten. Wenn im Fokus zum Beispiel die Frequenzoptimierung am Point of Sale steht, wären Online- oder App-Aktivitäten eine mögliche Maßnahme, um Kunden mit attraktiven Angeboten zum Geschäft zu führen. Aufmerksamkeitsstarke interaktive Schaufenster können zusätzlich Passanten zum spontanen Besuch animieren.

Diese ganzheitliche Sichtweise stellt sicher, dass keine „falschen“ Touchpoints ausgewählt und umgesetzt werden. Denn häufig läuft man Gefahr, Technologien einzusetzen, die auf den ersten Blick digital und schick wirken. In der Implementierung werden sie aber nicht vom Kunden genutzt und bieten auch keinen wirklichen Wert für das Unternehmen.

Bringt es zum Beispiel einen Mehrwert, einen digitalen Self-Service-Bestell-Screen im Standort vor Ort zu haben? Wohl eher nicht, wenn der Kunde dieselbe Funktion danebenstehend über das Smartphone nutzen kann, mit einer deutlich besseren und komfortablen Nutzbarkeit und Privatsphäre.

 

Was ist Touchpoint-Management?
Touchpoint-Management funktioniert nur ganzheitlich und im Kontext einer Customer-Journey

Die optimale „Kundenreise“ wird mit dem Fokus auf positive und begeisternde Kundenerlebnisse gestaltet. Digitale Touchpoints werden nahtlos integriert. Die Unterscheidung zwischen On- und Offline-Welt wird dabei nach und nach aufgehoben, weil sie für den Kunden einfach keine Rolle mehr spielt. Und da sich digitale Technologien und Anforderungen des Kunden stetig weiterentwickeln, ist dies kein einmaliger Prozess.

Jeder einzelne Schritt im Kundenlebenszyklus muss regelmäßig und immer wiederkehrend auf Zielerreichung überprüft und angepasst werden. Nur so sind Touchpoints wirklich effektiv zu managen.

 

Hebel 3:
Wie lassen sich Kunden und Unternehmensbedürfnisse sinnvoll verknüpfen?

Letzter Schritt des Hebelmodells ist die Verknüpfung der einzelnen Touchpoints zu einer ganzheitlichen Customer-Journey. Hier ein Beispiel für einen perfekt gestalteten Ablauf: Das im Rhein-Neckar-Gebiet ansässige Familienunternehmen Engelhorn stellt auch über die Region hinweg eine der besten Einkaufsadressen für Mode und Accessoires sowie für Sportartikel und Sportfashion dar. Das Sortiment erstreckt sich dabei von preislich-attraktiv bis hin zu luxuriös.

Der dazugehörige Online-Shop wurde schon vor einigen Jahren gelauncht – mit dem Ziel: für die Kunden einzigartige Erlebnisse am physischen Point of Sale auch in den digitalen PoS zu übertragen. Es sollen also beide Points of Sale so miteinander verzahnt werden, dass für die Kunden nahtlose Erlebnisse mit Mehrwert entstehen. Das Sortiment wird damit auch einer nicht nur in Mannheim und Umgebung ansässigen Klientel zugänglich.

Ein Beispiel für eine idealtypische Kundin ist die „sportliche Fashion-Trendsetterin“. Sie ist sowohl regional als auch überregional viel unterwegs und hat daher nicht immer Zeit, in das physische Geschäft zu gehen. Dort würde sie sich eigentlich gerne die neuesten Produkte der Marken live ansehen, erleben und sogar kaufen, die sie zuvor in Modezeitschriften oder im Fashion-Blog von Engelhorn gesehen hat. In der „Awareness“-Phase haben diese Marketing-Maßnahmen also bereits das Interesse der Kundin geweckt.

Unsere Kundin zückt daher in der „Search“-Phase auf einer ihrer Reisen im Zug ihr Mobiltelefon, schaut sich den Blog-Beitrag zu den aktuellen Sneaker-Trends erneut an und klickt auf ein paar abgebildete Schuhe. Sogleich landet sie auf der entsprechenden Produktdetailseite des Engelhorn-Online-Shops, auf der sie die Schuhe in einer 360°-Ansicht von allen Seiten begutachten kann. Sie sieht sofort, dass ihre Größe noch vorrätig ist.

In der „Consideration“-Phase schaut sie sich noch weitere von der Seite empfohlene und zu den Schuhen passende Produkte an, wie zum Beispiel Taschen und Schals. Während sie eine Tasche auf ihre persönliche Wunschliste setzt und den Link zur Tasche in ihrem sozialen Umfeld direkt über Facebook teilt, legt sie die Sneakers in den Warenkorb und tätigt den Kauf in der „Purchase“-Phase.

Da sie auf ihrer Rückreise in Mannheim vorbeikommt und ausnahmsweise Zeit für einen Abstecher ins Geschäft hat, wählt sie die Option „Click & Collect“, um die Schuhe vor Ort abzuholen. Im Geschäft angekommen, wird sie bei der Abholung vom Service-Personal empfangen, die Schuhe werden ihr übergeben. Auch an der Tasche auf ihrer Wunschliste ist sie immer noch interessiert. Da sie eine Kundenkarte von Engelhorn hat, kann das Service-Personal nachsehen, um welche Tasche es sich handelt und bringt ihr diese zur Ansicht. Die Kundin ist jedoch noch unentschlossen und bedankt sich erst einmal.

Nach einem kurzen Bummel durch die Stockwerke des Geschäfts entschließt sie sich, noch einen Kaffee im Terrassenlokal des Modehauses zu trinken und über die Dächer Mannheims zu schauen. Anschließend besucht sie das ebenfalls zu Engelhorn gehörende gegenüberliegende Sporthaus. Als begeisterte Hobby-Kletterin fällt ihr sofort die Kletterwand auf, die Kunden nutzen können, um Kletterausrüstungen auszuprobieren. Sie nimmt sich vor, die Wand bei ihrem nächsten Besuch auch einmal zu testen. Zurück zu Hause sieht sie, dass ihre Freundinnen ihr positives Feedback auf ihre Veröffentlichung rund um die gewünschte Tasche auf Facebook gegeben haben. Daher bestellt sie die Tasche online, diese wird drei Tage später zu ihr nach Hause geliefert.

 

Zusammenfassend war das für die Kundin eine perfekte Kundenerfahrung, zumal sie als treue Kundin in der „Loyalty“-Phase auch im Anschluss zu speziellen Verkaufsaktionen und Events ins Engelhorn-Haus eingeladen wird, was ihr sehr entgegenkommt und Freude bereitet.
Die Beispiele Engelhorn und Decathlon sollen Inspirationen sein. Beide Unternehmen machen es vorbildlich, denken kundenzentrisch und transformieren sich nach und nach. Ihre digitalen Touchpoints sind keine technischen Spielereien, sondern bieten dem Kunden und dem Unternehmen einen echten Mehrwert. //

 

 

Autorenvitae: Maike Burger & Dr. Carmen-Maria Albrecht

Wissen, was der Kunde will

Die Bedeutung des Mobile Marketing für den innerstädtischen Handel

von Prof. Dr. Gerrit Heinemann
und Frederic Handt

Wie sieht die Zukunft des stationären Handels und der Innenstädte aus? Im fünften Jahr in Folge befragte die Hochschule Niederrhein in der „Großen Handels-Studie“ mehr als 2 000 Verbraucher nach ihrem Smartphone- und Einkaufsverhalten. Die aktuelle, repräsentative Erhebung im Auftrag von Bonial Deutschland (www.bonial.de) und des Handelsverbands Deutschland (HDE) zeigt: Die Erwartungen an das digitale Angebot von Einzelhändlern in Innenstädten sind groß. Die Nutzung des mobilen Internets hat eine herausragende Bedeutung erlangt – bei der Shopping-Vorbereitung und der Frequenzgenerierung des innerstädtischen Handels.

Smartphone hat Schlüsselrolle für die Zukunft des stationären Handels

Eine Schlüsselrolle für den aktuellen „Wandel im Handel“ spielt zweifelsohne das Smartphone. Bereits mehr als 83 Prozent der erwachsenen Deutschen sind im mobilen Internet unterwegs und möchten ihre Einkäufe vor Ort über Mobiles oder Tablets vorbereiten. Dieses zeigt eindrucksvoll das digitale Universum in 2017 (vgl. Abbildung 1). Die Mehrheit der Non-Food-Einkäufe folgt bereits diesem Muster, Tendenz steigend – auch für Lebensmittel. Produkte und Angebote des Handels sollten daher unbedingt in mobil-optimierter Form zur Verfügung gestellt werden. Shopper bevorzugen dabei interaktive Werbeplattformen, die 34 % der Kunden mindestens einmal pro Monat über die App und 27 % über die Website abrufen. Die hier präsentierten Inhalte sollten vor allem Preis (86 %) und Verfügbarkeit (72 %) sein.

Abb. 1: Digitales Universum in 2017; Darstellung: Heinemann 2018 auf Basis „kaufDa-Studie 2017“

Die Studie zeigt auch: Die Nutzung des Mobile Web als Einkaufshelfer ist heute für fast alle Kunden und Altersgruppen relevant. Darin liegt eine große Chance, zumal dunkle Wolken für den innerstädtischen Handel sowie insbesondere den kleinen und mittelständischen Händler aufziehen. Deswegen führt für den stationären Handel kein Weg daran vorbei, im Netz präsent zu sein. Wer sich am Markt behaupten will, muss auf jeden Fall prüfen, ob er selbst in den Online-Handel einsteigt, was sicherlich viele Händler überfordert. Es muss auch nicht immer gleich ein eigener Online-Shop gelauncht werden. In jedem Fall aber sollte jeder Händler zumindest im Internet auffindbar sein. Dazu bieten Location-based Services oder App-basierte Werbeplattformen wie kaufDA hervorragende Lösungen, die nachweislich von den Kunden honoriert werden.

Gründe für den Innenstadt-Einkauf

Hauptanlass für das Aufsuchen der City ist demnach, ein bestimmtes Produkt zu benötigen und dieses gezielt zu besorgen. Das geben 48 Prozent und damit fast die Hälfte der Kunden als Grund für einen Innenstadtbesuch an. Demgegenüber ist der Innenstadtbummel nur für 28 Prozent und damit gut ein Viertel der Kunden Anlass für den Besuch der City. Dieses widerspricht der These, dass der innerstädtische Handel überwiegend von Erlebniskäufern lebt und verdeutlicht das Risiko, dass vor allem Bedarfskäufe stark vom Online-Kauf substituierbar sind. Letzterer ist in der Regel bequemer für die Kunden. Deswegen dürfen Städte den Convenience-Aspekt nicht vernachlässigen – also die Erreichbarkeit, Zuwegung und das Parkplatzangebot.


Vom stationären Handel erwarten die Kunden neben dem Einkaufserlebnis vor allem eine exzellente und individuelle Beratung.


Geht es um den Einkaufsbummel und damit Freizeitbeschäftigung, steht der Innenstadtbesuch zwar auch in Konkurrenz zum „Freizeitsurfen im Internet“, jedoch auch im Wettbewerb mit anderen Freizeitaktivitäten, die Städte stärker auf den Schirm nehmen sollten („Städte als Freizeitparks“). Vom stationären Handel erwarten die Kunden neben dem Einkaufserlebnis vor allem eine exzellente und individuelle Beratung. Dieses gilt vor allem für Kunden über 50, die auch die Ware im Geschäft anfassen und ausprobieren möchten. Vor allem für spezialisierte, kleinere Händler geht es darum, den persönlichen Kontakt zum Kunden zu pflegen und einen perfekten Service abzuliefern. Der viel diskutierte Beratungsklau ist diesbezüglich ein überschätztes Thema, denn nur bei 1,4 Prozent aller Einzelhandelsausgaben informieren sich die Kunden zuvor im stationären Handel.

Der umgekehrte Weg findet erheblich häufiger statt, nämlich dass sich die Kunden zunächst im Internet einen Überblick verschaffen und dann im Laden vor Ort einkaufen. Vor allem die jüngeren Kunden unter 50 informieren sich für den Kauf in erster Linie über Suchmaschinen, Einkaufsplattformen, Preis- und Produktvergleichsseiten, Blogs sowie Online-Testseiten. Die Mehrzahl der Non-Food-Einkäufe folgt bereits diesem Muster, Tendenz steigend – auch für Lebensmittel. Für die Handelsunternehmen wird es deswegen immer wichtiger, den Kunden die Möglichkeit zur Vorbereitung ihrer stationären Einkäufe zu geben. Darin liegt zweifelsohne auch der Schlüssel zur Rettung der Innenstadt. Deswegen vertieft die aktuelle Zeitreihe auch die Thematik des innerstädtischen Einkaufs sowie der Gründe für den stationären Einkauf, also des „Drive to Store“.

Erwartungshaltung an digitale Angebote der Innenstadt hoch

Grundsätzlich steigt beim Innenstadt-Einkauf die Neigung, sich für den Kauf selbst zu informieren und dazu ein Gerät und/oder eine App zu nutzen (32 %). Bereits rund drei Viertel der Befragten halten die Informationen im Internet für besser. Hier gibt es Handlungsbedarf, um Kunden nicht aufgrund falscher Annahmen an Online-Anbieter zu verlieren. Denn die Erwartungen an digitale Angebote der Innenstadt sind hoch. Knapp die Hälfte (45 %) möchte, dass sämtliche Informationen über Geschäfte in der City online verfügbar sind. Über die Hälfte der befragten Personen würde den Service nutzen, sich nicht verfügbare Waren aus Geschäften der Innenstadt kostenlos nach Hause liefern zu lassen (52 %). Die gleich hohe Anzahl der Befragten denkt, dass die Produktverfügbarkeit der Geschäfte im Internet erkennbar sein sollte.

Nicht gut kommt es allerdings an, wenn Kunden von Händlern via Push-Notifications unaufgefordert über Angebote informiert werden (Ablehnung mit 51 %), auch wenn diese einen lokalen Bezug haben (Ablehnung mit 17 %). Die Erwartungshaltung der Kunden zeigt eindeutig, dass Pull-Angebote für sie attraktiver als Push-Nachrichten sind. Denn 45 % der Befragten möchten sich lieber in Eigenregie via mobiler Endgeräte mit Information versorgen und 43 % der Befragten ärgert es, wenn unaufgefordert Werbung aufgespielt wird (Spitzenantwort), weswegen sogar 20 % Ad-Blocker nutzen. Dieses gilt nicht für segmentierte Push-Nachrichten, die auf Nutzerpräferenzen bzw. -verhalten basieren und das von Retailern gewünschte „Drive to Store“ mit überlegenen Conversion-Rates fördern. Sie werden deswegen auch von Bonial bzw. kaufDA und MeinProspekt genutzt, die auch mit dem Einsatz von Geo-Targeting und Push-Nachrichten eine Ansprache des Kunden in der Nähe eines Marktes ermöglichen.

Die Kunden bevorzugen interaktive Werbeplattformen wie kaufDA, die bereits 34 % von ihnen regelmäßig über die App und 27 % über die Website abrufen (mind. einmal im Monat). Damit kommt der kaufDA-Plattform als Zubringer für den innerstädtischen Handel eine herausragende Rolle zu. Dies verdeutlicht auch den Stellenwert vergleichbarer „pull-orientierter Location-based Services“, welche von den Kunden selbstbestimmt genutzt werden können. Die über diese Kanäle vermittelten Inhalte sollten vor allem Preis (86 %) und Verfügbarkeit (72 %) sein. Deswegen erscheint es unabdingbar, dass stationäre Kunden Angebote in digitaler und mobil-optimierter Form per Mobile abrufen können.

Kunden halten Informationen im Internet für besser und glaubwürdiger

Bereits jeder Fünfte würde es gut finden, wenn alle Händler auf kaufDA abrufbar wären. Fehlendes Wissen über bestehende Location-based Services hält aber 39 % der Kunden noch davon ab, derartige Dienste zu nutzen, obwohl sie bereits ihr Smartphone intensiv zur Kaufvorbereitung einsetzen. Aus Konsumentensicht sprechen demgegenüber viele Gründe für eine intensivere Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung. Rund 82 % „finden im Internet bessere Informationen“. Die Antworten „Das Personal findet nicht die für mich wichtigen Informationen“ (37 %) und „Ich halte das Personal für inkompetent“ (22 %) sowie „Personal nicht entsprechend der Erwartungshaltung von Kunden vorzufinden“ zeigen Handlungsbedarf bei den Beratungskonzepten des stationären Handels auf (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Neue Kundenerwartungen an Informationen

Die Frage nach den „grundsätzlichen Anforderungen an Händler“ führt zur Erkenntnis, dass „Freundlichkeit/ Zuvorkommenheit“ immer noch an erster Stelle stehen. Darüber hinaus bleiben angemessene Preise, Fachkompetenz und fundierte Informationen wichtig. In der aktuellen Studie findet erstmals die „große Auswahl an (verfügbaren) Waren“ Erwähnung. Offensichtlich hat hier die Auswahl im Internet bereits die Erwartungshaltung der Kunden beeinflusst.
Zusammenfassend ist die Studie ein Fingerzeig für den stationären Handel:
Aus Kundensicht führt kein Weg daran vorbei, im Internet via Pull-Funktion alle relevanten Informationen über das Geschäft zugänglich zu machen, und zwar in Hinblick auf Produktangebot, Warenverfügbarkeit, Öffnungszeiten, Erreichbarkeit und Sonderangebote. Darüber hinaus wünschen die Kunden Liefermöglichkeiten. Dieses gilt auch für die Abholung online ausgesuchter Produkte im Geschäft, die gegenüber 2016 deutlich ansteigt. Eine Herausforderung ist es für stationäre Händler, das schlechte Image der Personalkompetenz zu bewältigen.

Fazit

Marketing hat sich in den letzten zwei Jahren mehr verändert als in den letzten 50. In einer Welt, in der Kunden sich selbst informieren, sind Apps die persönlichen Manager für lokales Einkaufen. Eine Mobile-First-Perspektive ist für den stationären Einzelhandel und für die Frequenz in den Innenstädten daher unerlässlich. Mobile Präsenz und Mobiloptimierung sind weit mehr als ein Nice-to-have: Heute gilt mehr und mehr „Mobile Only“. Für die Handelsunternehmen ist es unerlässlich, den Kunden per Smartphone die Möglichkeit zur Vorbereitung ihrer stationären Einkäufe zu geben. Darin liegt zweifelsohne der Schlüssel zur Rettung der Innenstadt. //

 

 

Autorenvitae: Prof. Dr. Gerrit Heinemann & Frederic Handt

 

Prof. Dr. Gerrit Heinemann

Frederic Handt

 

 

 

 

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

VR- und AR-Technologien im Handel mit Zukunft

Die Redaktion im Gespräch mit Christian Feilmeier, Geschäftsführer bei The Retail Performance Company, und Peter Milotzki, VR-, AR- und Robotics-Experte bei The Retail Performance Company.

Peter Milotzki, VR-, AR- und Robotics-Experte bei The Retail Performance Company

Herr Milotzki welche Technologien stehen im Bereich Schulungs- und Trainingsanwendungen für den Handel heute bereit?
Aktuell verwenden wir für unsere Trainings vor allem die VR-Brillen Samsung Gear und die Microsoft HoloLens. Auch mit der Virtual-Reality HTC VIVE haben wir gute Erfahrung gemacht und sie bei dem ersten weltweiten virtuellen Produkttraining für BMW China eingesetzt. Die 6 000 Teilnehmer des Trainings, Verkäufer, Serviceberater und Product-Geniuses, konnten die neue Hinterachse der BMW 5er-Limousine hautnah erleben, ohne dass das Fahrzeug auf eine Hebebühne gehoben werden musste. In einem virtuellen Trainingsraum erklärten wir Produktdetails und Funktionen der Bauteilkomponenten. Für die Teilnehmer war es mit dieser Trainingsmethode viel einfacher, die komplexe Technik zu betrachten und vor allem zu verstehen.

Welche Vorteile bringt die VR- und AR-Technologie, um das Produkttraining für den Vertriebler der Zukunft zu optimieren?
Peter Milotzki: Ein Vorteil ist die Zeitersparnis. Als durchführender Trainer spart man in der Trainingseinheit rund 30 Prozent an Zeit, wenn AR- oder VR-Technologien eingesetzt werden, da die Inhalte klarer und strukturierter vorgestellt werden können als auf klassischen Powerpoint-Folien. Auch ist der Lernerfolg deutlich größer, weil sich die Teilnehmer an die Inhalte des Trainings leichter erinnern und die Verbindung zu den Themenfeldern schneller erfassen. Zudem hält die Aufmerksamkeit wesentlich länger als bei Teilnehmern, die ihren Inhalt nur in einem Selbststudium oder als „Frontalunterricht“ vermittelt bekommen. Sie können den Inhalt innerhalb der AR- und VR-Welt selbst entdecken und setzen sich spielerisch mit den Trainingsinhalten auseinander.

Inwieweit werden funktionierende VR- und AR-Anwendungen von den Mitarbeitern angenommen und als sinnvoll erachtet?
Peter Milotzki: Wir beobachten, dass weniger die neuen Technologien an sich in Frage gestellt werden, eher scheint die Angst vor Veränderung für die Mitarbeiter im Vordergrund zu stehen. Denn sie müssen gewohnte Arbeitsabläufe anpassen und sich mit der Anwendung der neuen Technologien auseinandersetzen. Entscheidend ist, dass sich Unternehmen darüber klar werden, wie die Technologie wirklichen Wert stiften soll und welche konkreten Use-Cases formuliert werden können, sonst ist der Einsatz und die interne Akzeptanz zum Scheitern verurteilt. Unsere Erfahrung zeigt, dass aber genau hier viel falsch gemacht wird: Nutzt ein Unternehmen AR- und VR-Technologien nur zum Ausprobieren oder als Türöffner, verkommt die Technik zum reinen Showeffekt, der keinen nachhaltigen Wert generiert und deswegen von den Mitarbeitern nicht angenommen wird.

 

Christian Feilmeier, Geschäftsführer bei The Retail Performance Company

Herr Feilmeier, wo sehen Sie für den Handel noch weitere innovative Einsatzmöglichkeiten für VR- und AR-Anwendungen?
Die Technologien helfen, neben der Schaffung von neuen Produkterlebnissen, Hemmnisse abzubauen und Berührungsängste zu minimieren – sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite. Gerade für erklärungsbedürftige und emotionale Produkte und Services bieten sie ein enormes Veränderungspotenzial, um Kunden komplexe Themen näherzubringen. So können Zusatzinformationen zu Produkten und Services angezeigt und visualisiert werden. Auf großen Verkaufsflächen werden bereits jetzt erste virtuelle Anwendungen eingesetzt, um Kunden durch das Geschäft zu lotsen und sie gezielt Angebote finden zu lassen. Darüber hinaus können Produkte schon präsentiert werden, bevor sie verfügbar sind.

Wie kann der stationäre Handel von VR- und AR-Technologien profitieren?
Christian Feilmeier: Der Einsatz von virtuellen Technologien im stationären Handel führt zu deutlich mehr Personalisierung und bietet neuartige Erlebniswelten. Mit dem eigenen Smartphone oder mit im Laden zur Verfügung gestellten Geräten haben Kunden die Möglichkeit, das komplette Warenangebot auszuwählen, zu konfigurieren und zu erleben. Weitere Vorteile sind die deutliche Senkung von Lagerkosten und die Kapitalbindung. Durch die Kombination digitaler Inhalte mit persönlicher Beratung entsteht noch dazu ein deutlicher Mehrwert gegenüber dem reinen Online-Handel.

Inwieweit spielen Robotics-Technologien bzw. Künstliche Intelligenz für die Customer-Journey eine Rolle – wie werden diese umgesetzt und von Kunden angenommen?
Christian Feilmeier Hier gibt es keine einheitliche Situation, aber wir erkennen den Trend zu einer zunehmenden Akzeptanz von KI-Technologien. Die Kundenreaktionen hängen stark von der konkreten, eingesetzten Lösung ab: Plumpe Roboter schaffen kein positives Erlebnis, menschliche Kopien rufen hingegen Ängste hervor. Der Kunde entscheidet letztendlich selbst, wie seine Customer-Journey verlaufen soll und welchen Mehrwert er in KI-Anwendungen sieht. Wichtig ist dem Kunden, dass man ihn (er-)kennt, dass man über seine bisherigen Transaktionen sowie seine Präferenzen Bescheid weiß. In einer Omnikanal-Welt geht dies nur auf Basis von Daten, die – zunehmend unterstützt durch KI – kanalübergreifend an allen relevanten Touchpoints zur Verfügung stehen müssen. Künstliche Intelligenz erweitert somit das Spektrum und das Zusammenspiel der Touchpoints. Die Herausforderung für Unternehmen liegt darin, die Touchpoints kundenzentriert zu entwickeln und richtig zu managen.

Gibt es schon Erfahrungswerte, inwieweit sich VR- und AR-Anwendungen auf den Absatz von Produkten im Positiven auswirken?
Christian Feilmeier: Wir kennen noch keine Studie, die die positive Wirkung von VR und AR auf den Absatz nachweist. Aber die Nachfrage des Handels nach diesen Lösungen steigt zunehmend. Die Attraktivität der Unternehmen nimmt zu, wenn innovative Technologien eingesetzt werden. Da leistet die spielerische Komponente einen enormen Beitrag, da sich Kunden in einer virtuellen Welt mit Produkten und Services auseinandersetzen können. AR und VR machen es möglich, dass Marken auf unkonventionelle Weise und an ungewohnten Orten optisch präsent sind und mit den Kunden interagieren. Das ist neu und macht den Menschen Spaß. So werden Emotionen geweckt, die Kunden stärker an die Marken binden – ein großes Potenzial für Unternehmen.

Welche Bedeutung haben VR-, AR- und Robotics-Anwendungen für die Customer-Journey der Zukunft?
Christian Feilmeier: Wir denken, dass sich die Customer-Journey innerhalb der nächsten fünf Jahre stark verändern wird. Sie ist kein linearer Prozess mehr, sondern entwickelt sich zu einer nicht vorhersehbaren Kundenreise mit Sprüngen zwischen den Vertriebskanälen. Auf der Gewinnerseite werden Unternehmen sein, die dem Kunden seine präferierte Reise bieten können.
Peter Milotzki: VR-, AR- und Robotics-Anwendungen erlauben dem Handel, bestehende Touchpoints zu optimieren und weitere, attraktive Touchpoints anzubieten. So können Unternehmen ihren Kunden ein vielfältiges Angebot bieten, um Kundenerwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Das ist eine große Chance für alle Unternehmen, mit der neue Zielgruppen und Märkte gewonnen werden können. //

 

 

Autorenvitae: Christian Fellmeier & Peter Milotzki

 

 

 

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Logistik: Nervensystem des Handels

Endkunde treibt Digitalisierung – und damit Veränderungen in den Wertschöpfungsketten

von Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer

Insgesamt 15 Trends beeinflussen Strategien und Praxis der Logistik, beispielsweise exogene Trends wie Kostendruck, Individualisierung und Komplexität und endogene Trends wie verbesserte Transparenz in Supply-Chains durch Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Wesentlicher Treiber beider Kategorien ist – das wundert die Händler nicht – der Endkunde, der sich in Industrie, Handel und Dienstleistung wettbewerbsentscheidend bemerkbar macht. Die Antwort auf viele Kunden­anforderungen ist wiederum die Digitalisierung.

Die digitale Transformation umfasst nicht nur im Handel unterschiedliche strategische Schwerpunkte: Unternehmenswandel, Weiterentwicklung von IT, Datennutzung, Förderung von Innovationen. Sie entwickelt sich so schnell, dass am Experimentieren und Nachjustieren kein Weg vorbeigeht. Mit der Digitalisierung treten neue Geschäftspartner mit anderen Unternehmenskulturen auf den Plan, die es produktiv zu integrieren gilt. Folglich sind alle Akteure aufgefordert, aktiv mitzuwirken, damit sich Unternehmen und Wirtschaftsstandorte im digitalen Wettbewerb erfolgreich positionieren können.

Von den 1 351 Studienteilnehmern der Trends- und Strategien-Studie der BVL aus dem Jahr 2017 schätzen drei Viertel die Chancen durch digitale Transformation für ihr Unternehmen als hoch ein. Mehr als die Hälfte der Unternehmen wartet jedoch ab, bis erprobte Lösungen vorliegen. Ein Drittel der Befragten sieht hohe Risiken durch Digitalisierung und begründet dies mit erforderlichen Sachinvestitionen, Qualifizierungsbedarf für neue Abläufe, der zeitlich anspruchsvollen Förderung von IT-Kompetenzen sowie der bislang fehlenden Kultur des Ausprobierens und Lernens. Doch der Mut zur Veränderung lohnt sich.

Kernaussagen
Um zum Erfolg zu führen, erfordert die digitale Transformation einen konsequenten, aktiv gestalteten Unternehmenswandel.
Dazu gehören die Weiterentwicklung von IT, Datennutzung, Förderung von Innovationen und die Schulung der Mitarbeiter.
Der Prozess hat eine hohe Dynamik. Am Experimentieren und Nachjustieren führt kein Weg vorbei. Gerade im Handel gibt der Kunde verstärkt den Takt vor. Nicht „Einkäufe erledigen“, sondern „Einkaufserlebnisse finden“. Reales und Digitales wird kombiniert. Um neue Einkaufserlebnisse wirtschaftlich anbieten zu können, sind digitale Tools unerlässliche Schlüssel zum Erfolg.

Digitale Technologien ermöglichen es, Kosten zu senken – beispielsweise durch intelligente Vorhersagen oder durch die operative Unterstützung der Mitarbeiter. Sie können aber auch zur Verbesserung der Kundenbeziehungen beitragen und neue Geschäftsfelder eröffnen. Diese Wirkungen einer digitalen Transformation werden von einer Mehrzahl der Handelsunternehmen (74,5 %) bestätigt.

Um erfolgreich digitalisieren zu können, wird zunächst eine Datenbasis benötigt, die über Unternehmensgrenzen hinaus auswertbar ist. Zur Erfassung, Speicherung und Übertragung von Daten existieren im Handel bereits umfassende Ansätze, denn die Objektverfolgung auf Produktebene ist dort essenziell. Über 60 Prozent der Unternehmen nutzen 2-D-Codes – und kaum RFID. Die Vision einer Supply-Chain, die sich mithilfe von RFID-markierten Produkten darstellen lässt, wird von der Praxis noch nicht getragen.

Der Einsatz von Sensoren an Behältern, Ladehilfs- und Transportmitteln wird attraktiver: Sie sind nützliche Datenquelle und Verfolger von Betriebszuständen zugleich und können Handlungen auslösen. Sensorik wird als mittel bis hoch relevant eingeschätzt – im Handel geringer als im verarbeitenden Gewerbe. Fast 40 Prozent der Handelsunternehmen planen keine Einführung von Sensorik, in der Pro­duktion nutzen sie mehr als die Hälfte intensiv.

Die Auswertung von gespeicherten Informationen über Kapazitäten, Aufträge oder Kunden wird im Handel seit Jahren betrieben, beispielsweise die elektronische Abwicklung von Aufträgen und die kennzahlengestützte Ableitung von Maßnahmen. Predictive Analytics und Predictive Maintenance ermöglichen Optimierungen in Geschäftsprozessen.

Die komplette Umstellung von IT-Systemen ist für Unternehmen oft schwer umsetzbar. Alt-Systeme müssen angebunden und Produktivsysteme ersetzt werden, denn die IT-Landschaft in den Unternehmen hat sich unterschiedlich entwickelt. Neue Serviceangebote wie „Anything as a Service“ (XaaS)-Ansätze können flexibel mitwachsen, verursachen geringere Investitionskosten und geben den Nutzern schneller Zugang zu neuen Applikationen. Bei den cloudbasierten IT-Services wurden die Bereiche Software (SaaS), Infrastruktur (IaaS) und Plattformen (PaaS) untersucht: Nur 20 Prozent nutzen diese Services heute und nur 10 Prozent planen den Einsatz innerhalb der nächsten fünf Jahre. BVL-Experten mahnen hingegen, dass cloudbasierte Infrastruktur unerlässlich sei, weil die Datenmengen und die Anforderungen an die Servicequalität weiter zunehmen werden.

Warehouse-Management-Systeme wurden von allen Experten als eines der relevantesten Technologiekonzepte identifiziert, fast 60 Prozent der Teilnehmer setzen solche Software umfassend ein. „Enterprise Resource Planning“ (ERP)-Systeme sind von sehr hoher Relevanz, obwohl deren Einsatz mit großem Aufwand verbunden ist. Unternehmen mit über 3 000 Mitarbeitern setzen diese Systeme zu weit über 80 Prozent ein, denn durchgängige und schnelle Verfügbarkeit von Daten der gesamten Supply-Chain sind essenziell.



Assistenzsysteme erleichtern und verbessern die Arbeit des Personals. Beim Warenumschlag oder im Lager ist deren Einsatz sinnvoll, um Fehler zu vermeiden, die Mehr- und Nacharbeiten nach sich ziehen. Außendienstmitarbeiter nutzen Anwendungen auf mobilen Endgeräten, etwa für Instandhaltung oder den Zugriff auf Unternehmensdaten und Kennzahlen. Bereits über die Hälfte der Studienteilnehmer haben den mobilen Datenzugriff für Mitarbeiter realisiert, nur ein Zehntel der Befragten hat bis jetzt keine Pläne hierzu.

Ein Datenzugriff über Wearables wie Smartwatches oder Activity-Tracker erhielt nur mäßige Bewertungen: 52 Prozent planen keine Nutzung in den nächsten fünf Jahren. Diese Aussage steht im Widerspruch zu einer Bitkom-Befragung, in der drei Viertel der Verantwortlichen aus Unternehmen mit eigener Logistik erwarten, dass Datenbrillen weit verbreitet sein werden. Zwei Drittel glauben sogar, dass selbstlernende Systeme viele Aufgaben in der Logistik übernehmen werden, etwa Routen-Planung oder das Auslösen von Bestellvorgängen. Wunsch und Wirklichkeit werden also weiterhin zu beobachten sein.

Ähnliche Ergebnisse sind auch bei Augmented-Reality (AR)-Lösungen zu beobachten. Auch hier bestätigen die BVL-Experten, dass das Aufzeichnen der realen Umgebung und die Überblendung mit zusätzlichen Informationen in Form von stationären Geräten oder als Smartphone-Apps für den Einzelhandel interessant werden können.

Die autonome Zustellung im öffentlichen Raum mithilfe kleiner landgebundener Roboter testen Unternehmen wie Hermes, MediaMarkt und die Schweizer Post mit Starship Technologies oder der Pizzalieferdienst Dominos mit Marathon Targets. Handel und Logistikdienstleister bewerten die Roboterunterstützung noch mit nur mittlerer Relevanz. Die Bitkom-Studie weist aus, dass autonome Drohnen Inventuren im Lager erledigen werden. 57 Prozent gehen sogar davon aus, dass die Waren mit autonomen Fahrzeugen transportiert werden. Das prognostiziert auch die BVL – für 2025 bis 2030. //

 

 

Autorenvita: Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer

 

 

Bildquelle / Personenfoto:
©Kai Bublitz/BVL

 

 

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Technologiebranche Handel

Um die Aufmerksamkeit des Kunden auf den eigenen Shop zu lenken, gehen die Handelsunternehmen neue Wege und entwickeln innovative Formate.

von Stefan Genth

Das Wachstumstempo im Einzelhandel wird maßgeblich vom Online-Handel geprägt. Online einzukaufen gehört für die Verbraucher zum Alltag. Dies gilt jedoch (noch) nicht für „Fast Moving Consumer Goods“ (FMCG), also insbesondere die Waren des täglichen Bedarfs. Hier ist zwar ein starkes Wachstum zu verzeichnen, der Online-Marktanteil liegt jedoch heute noch auf einem niedrigen Niveau. Lediglich 1,7 Prozent aller Gesamtausgaben für FMCG werden online getätigt. In einzelnen Warengruppen zeigt sich jedoch ganz deutlich die fortschreitende Onlinerelevanz. So liegt der Anteil der Ausgaben bei Körperpflegeprodukten oder Near Food (zum Beispiel Tiernahrung) bereits deutlich höher als beispielsweise in der Kategorie Food. Hier gibt es seitens der Verbraucher bislang noch die größte Zurückhaltung, online einzukaufen.

 

Online-Schaufenster gewinnen weiter an Bedeutung.

 

Um die Aufmerksamkeit des Kunden auf den eigenen Shop zu lenken, gehen die Handelsunternehmen neue Wege und entwickeln innovative Formate. Mehr denn je gilt es, sich in die Denkweise des Kunden hineinzuversetzen, technische Hürden zu überwinden und jedem einzelnen Kunden im richtigen Moment das passende Angebot zu machen. Im Mittelpunkt steht dabei die Verzahnung zwischen stationärem Geschäft und Online-Shop. Deshalb eröffnen immer mehr bisher reine Online-Händler auch stationäre Geschäfte. So können die Kunden in Zukunft noch einfacher die Vorteile aus beiden Welten nutzen. Umgekehrt bauen aus dem gleichen Grund immer mehr stationäre Händler einen Online-Shop auf. Damit profitieren sie von der Entwicklung im Online-Handel.

 

Während der stationäre Handel nur leicht zulegt, wächst der Online-Handel deutlich.

 

Digitalisierung im Handel ist aber mehr als die Eröffnung von Online-Shops oder der Verkauf auf Marktplätzen und Plattformen. Denn auch die stationären Geschäfte nutzen die neuen Möglichkeiten für sich und ihre Kunden und setzen auf digitale Services auf der Fläche. Anwendungen wie Innennavigation, digitale Produktinformationen oder mobile Bezahlung sind in aller Munde.
Hier können die Kunden weitere neue Services erwarten. Insbesondere Anwendungen, die auf dem Einsatz von freiem WLAN beruhen, haben noch viel Potenzial. So zum Beispiel die sogenannte verlängerte Ladentheke. Diese ermöglicht es den Kunden, die Produkte vor Ort im Laden zu begutachten und dann per Smartphone zusätzliche Produktinformationen zu erhalten sowie die gewünschte Produktkonfiguration zusammenzustellen.

Das Vertrauen der Kunden ist auch im digitalen Zeitalter die wichtigste Währung im Handel.

Der Handel entwickelt sich immer stärker in Richtung einer Technologiebranche. Software- und Analytikwissen spielt eine gleichberechtigte Rolle neben den traditionellen Kernkompetenzen wie konsequenter Kundenorientierung, tollem Shopdesign, spannenden Sortimenten, hervorragendem Service und leistungsstarker Logistik.
Fünf Technologiebereiche lassen sich dabei aufgrund ihres großen Potenzials für den Handel herausstellen:

„Augmented Reality“ und „Virtual Reality“ (AR/VR)

Mithilfe von Augmented Reality können beispielsweise Möbel in Originalgröße im heimischen Wohnzimmer platziert und auf die restliche Einrichtung abgestimmt oder die passende Paketgröße kann anhand der Platzierung des zu versendenden Artikels im virtuellen Paket bestimmt werden.
Aber nicht nur in den eigenen vier Wänden, auch im Store selbst erleichtert Augmented Reality eine informierte Entscheidung. Vom Wegweiser durch den Store über die Einblendung von Produktinformationen – und Variationen sowie Illustration der Funktionsweise – bis zur persönlichen Beratung durch digitale Verkäufer: Unterschiedlichste Einsatzweisen werden derzeit getestet. Noch weiter gehen Virtual-Reality-Welten, in denen Kunden durch verschneite Skiwelten fahren oder die sonnigen Strände des nächsten Urlaubsorts besuchen können.

Der Store wird zur Spielwiese (Digital POS/Robotics)

„Persönliche Beratung“ wird meist als das Kernargument für den Kauf im Store genannt. Verkaufs- und Promotion-Roboter wie „Paul“ oder „Pepper“ eröffnen dabei neue Möglichkeiten, das digitale mit dem stationären Geschäft zu verbinden und erhöhen den Erlebniswert des Einkaufs. Sie unterstützen als digitale Verkäufer z. B. bei der Navigation, Vorstellung von Produkten und Techniken oder spielen auch mal mit den jüngeren Besuchern eine Runde „Schnick, Schnack, Schnuck“. Zudem zeigen Studien, dass Roboter sich sehr gut zur Einholung von Feedback eignen. Jeder zweite Kunde würde negative Kritik eher gegenüber einem Roboter äußern als im Gespräch mit einem realen Verkäufer.
Großes Interesse besteht nach wie vor auch am vernetzten Besucher im Store. Mehr als jeder dritte Händler setzt derzeit beispielsweise auf den Einsatz von Beacons oder befindet sich in der konkreten Planung, mehr als jeder vierte Händler experimentiert mit Instore-Navigation. Bei der Einblendung personalisierter Angebote und erweiterter Produktinformationen überschlagen sich derzeit die Technologien.

Big Data: Daten eröffnen neue Welten

Verbraucher sind in erster Linie jenen Marken treu, die das Kundenerlebnis gezielt auf ihre Bedürfnisse und Vorlieben zuschneiden. Doch nur, wer die richtigen Daten hat, hat die Chance, dem Kunden passgenaue Angebote zu unterbreiten. Dabei müssen natürlich die hohen Datenschutzanforderungen gewahrt werden, denn das Vertrauen der Kunden ist auch im digitalen Zeitalter die wichtigste Währung im Handel.

Der Handel wird klüger (KI)

Bis dato lag das Wissen über Daten und ihre Verarbeitung beim Händler selbst. Die zunehmend komplexen, vielschichtigen und vernetzten Entscheidungen könnten jedoch zukünftig mehr und mehr von Maschinen getroffen werden, die mit jedem neuen Datensatz dazulernen und ihre Vorhersagen kontinuierlich verbessern.
Die Anwendungsgebiete für künstliche Intelligenz im Handel variieren von Bedarfsprognosen zur Optimierung der Bestellmengen über Trendvorhersagen, nach denen sich Sortimente gestalten lassen, bis zu Lieferrouten, die Verkehrs- und Wetterdaten mit einbeziehen.

Das Produkt kommt zum Kunden (Voice / Dash-Buttons / Chatbots)

Alexa, Siri, Google Assistant, Cortana, Bixby – die Familie der Sprachassistenten wächst rasant. Sie managen das Smart Home, spielen Musik ab oder bestellen Taxis.
Intelligente Einkaufshilfen ermöglichen ein komfortables Einkaufserlebnis, indem sie bei der Einkaufsplanung unterstützen und den Kaufprozess vereinfachen – wieso erst das Smartphone suchen und die App öffnen, wenn man auch während des Kochens fehlende Zutaten nachbestellen kann? Generell geht der Trend zur Automatisierung des Bestellprozesses. Dash-Buttons zur Bestellung per Knopfdruck haben es inzwischen bis in die Waschmaschinen und Drucker geschafft – sodass der Nachschub an Pulver und Tinte niemals nachlässt.
Alle diese aktuellen Entwicklungen machen deutlich: Der Handel befindet sich durch die Digitalisierung im größten Strukturwandel seit Einführung der Selbstbedienung. Die Kunden können sich auf viele neue Services und Angebote freuen. //

 

Autorenvita: Stefan Genth

 

 

 

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