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Smart Procurement & Supply-Management

Die umfassende Digitalisierung verändert auch die Welt im Einkauf. Doch noch wird der Einkauf 4.0 (zu) zurückhaltend umgesetzt.

von Prof. Dr. Florian C. Kleemann

Seit Jahren kennt der Online-Handel nur eine Richtung: steil wachsend. Immer breiter werden die verfügbaren Sortimente, immer schneller die Lieferzeiten und immer ausgefeilter sowie kundenspezifischer die Angebote. Konstant zweistellige Wachstumsraten sind ein exzellenter Beleg dafür, dass die Digitalisierung des Einzelhandels schon längst weit fortgeschritten ist. Dagegen zeigen sich im B2B-Umfeld noch deutliche Rückstände.

So zurückhaltend das produzierende Gewerbe auf die Digitalisierung in Form der „Industrie 4.0“ reagiert hat, so vorsichtig ist man auch beim Einsatz elektronischer Systeme – auch für die Beschaffung der benötigten Materialien und Dienstleistungen. Doch auch hier ist ein steigendes Interesse daran, inwieweit die Digitalisierung den industriellen Einkauf verändert, festzustellen.

Doch wie beeinflusst die digitale Revolution die Beschaffungsfunktion – und welche Potenziale bestehen insbesondere für den E-Commerce? Dieser Frage geht der folgende Beitrag nach, in dem Grundlagen einer digitalisierten Beschaffung vorgestellt und deren potenzielle Anwendungsfelder im B2B-Handel skizziert werden.

Geht man davon aus, dass die Industrie 4.0 umfassende Vernetzung, Echtzeit-Kommunikation und intelligente Systeme als Kerninhalte hat, liegt es nahe, diese Aspekte auch mit einem Einkauf 4.0 zu assoziieren: Lieferanten und deren Produkte werden in eine übergreifende Systemlandschaft eingebunden, in der Daten (z. B. Bedarfsmengen, Bestellungen) im Moment ihres Entstehens an den jeweiligen Adressaten übermittelt werden.

Beschaffungsentscheidungen werden dabei von künstlicher Intelligenz unterstützt – durch Big-Data-basierte Analysen, autonom ablaufende Vorgänge oder lernende Prognosen. Hieraus, sowie mit der rasant fortschreitenden Entwicklung von begleitenden Technologien (z. B. IT, Robotik), sind eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten entstanden, die auch den industriellen Online-Handel „revolutionieren“ können.

 


Wahrheit oder Wunschtraum – Shopping like Amazon im B2B-Einkauf?


 

Anwendungsmöglichkeiten des Einkaufs 4.0

Graphical User-Interface, Virtual & Augmented Reality
Als Anwender elektronischer, häufig ERP-basierter Katalog- und Marktplatzlösungen im B2B-Umfeld fällt eines buchstäblich „ins Auge“: Die Nutzeroberflächen sind oft sehr schlicht, alles andere als dazu angelegt, breite Nutzerschichten anzusprechen. Allzu oft muss der Einkauf noch unterstützen oder gar Bestellungen selbst erstellen. In der Folge ergeben sich hohe Prozesskosten und eine Überlastung des Einkaufs mit nicht wertschöpfenden Tätigkeiten.

Doch warum nicht den B2C-Online-Handel als Vorbild nehmen? Ansprechende, intuitive Shop-Designs, umfassende Produktinformationen und nicht zuletzt die Möglichkeit, Waren mittels 360-Grad-Ansicht sogar virtuell zu inspizieren – solche und weitere Beispiele können auch den Weg für die industrielle Beschaffung weisen. Auch wenn die Volumina geringer und die Produkte komplexer sind: Die technologischen Möglichkeiten, auch B2B-orientierte Beschaffungslösungen nutzerfreundlicher und attraktiver zu gestalten, sind längst vorhanden.

Intelligente Funktionalitäten für Kataloge & Marktplätze
Ähnlich wie bei den grafischen Oberflächen sind Privatnutzer bei der Suche nach Artikeln im Internet bzw. in einem Online-Shop hohen Komfort gewöhnt: Schreibfehler werden korrigiert, verwandte Begriffe ergänzt oder ähnliche Artikel vorgeschlagen. Bei der Nutzung einer Suchmaschine muss man nicht einmal einen bestimmten Shop ansteuern, um fündig zu werden.

Im B2B-Umfeld dagegen führen bei vielen Katalogen selbst kleine Tippfehler zu ausbleibenden Suchergebnissen, für verschiedene Kataloge bestehen unterschiedliche Log-ins etc. Das muss aber nicht so bleiben: anbieterübergreifende, intelligente Suchfunktionen erleichtern die Produktsuche auch für Business-User. Vorschlagsfunktionen für wiederkehrende Bedarfe, ggf. sogar analytisch mit dem bisherigen Verbrauchsverhalten gekoppelt, können wiederum den Bestellvorgang wesentlich beschleunigen – und somit die Prozesskosten deutlich senken.

Vernetzung / Lieferantenanbindung
Doch nicht nur am „Front End“ von B2B-Onlinelösungen gibt es Handlungsbedarf bzw. Potenziale. Bisher werden vor allem C-Teile bzw. kleinteilige Bedarfe über Kataloge, ähnlich auch bei Marktplätzen, gekauft. Komplexere bzw. spezifischere Bedarfe werden überwiegend noch in klassischen Bestellprozessen abgewickelt. Die Möglichkeit einer umfassenden informationstechnischen Anbindung („EDI“) wird aufgrund des Umsetzungsaufwandes oft gescheut und wenn, nur bei Toplieferanten hingenommen.

Angetrieben vom Anspruch einer besseren Vernetzung in der Industrie 4.0 ergibt sich eine zunehmende Standardisierung von IT-Lösungen und Daten. Selbst wenn ein wirklich einheitlicher Datenstandard noch in weiter Ferne liegt: Big-Data-Applikationen vereinfachen die Vereinheitlichung von Daten aus unterschiedlichen Quellen drastisch. Intelligente, modulare IT-Lösungen reduzieren die Aufwände für die System-Anbindung von Lieferanten noch einmal zusätzlich. Diese Vorteile gelten sowohl für ERP-Systeme als auch für elektronische Kataloge, wo neue Sortimente und Anbieter so viel leichter angebunden werden können.

Value-Added-Services / 3-D-Druck
Ein wesentlicher Unterschied des Einkaufs 4.0 gegenüber traditionellen E-Procurement-Ansätzen liegt auch im Umfang der Veränderungen. Nicht mehr nur, wie eingekauft wird (= Prozesse), sondern auch was (= Objekte) wird sich verändern. Ein typisches Beispiel sind die Potenziale des 3-D-Drucks, durch den klassische, aufwendige Fertigungsverfahren für geringe Losgrößen eines Produktes durch ein hochflexibles Verfahren ersetzt werden.

Hierdurch wird nicht nur eine schrittweise Substitution der beschafften Güter ermöglicht (z. B. leichtere Bauteile, komplexere Formgebung). Zudem ergeben sich für Lieferanten auch neue Geschäftsmodelle. So z. B. ein onlinebasierter 3-D-Druck-Service, bei dem Industriekunden komplexe Bauteile nach eigenen Vorgaben konstruieren und herstellen lassen können. Auch hier sind endverbraucherorientierte 3-D-Druck-Shops als Vorbild zu nennen. Die höheren Ansprüche industrieller Kunden an Qualität, Präzision und Zuverlässigkeit müssen jedoch berücksichtigt werden.

 

Key-Facts / Ergebnisse Studie
Vor wenigen Jahren wurden Digitalisierung und Industrie 4.0 als „Hype“ abgetan – heute undenkbar. Trotzdem setzten Florian C. Kleemann und Andreas H. Glas das Forschungsprojekt „Smart Procurement & Supply Management“ auf, um die Auswirkungen der Industrie 4.0 auf den Einkauf zu untersuchen.Wesentliche Ergebnisse der interviewbasierten Studie waren:
Erwartung hoher Prozesseffizienzen, vor allem bei operativen Prozessen
Steigende Anforderungen an das Einkaufspersonal
Wandel der Einkaufsrolle zum Prozessmanager
Kritik an fehlenden Impulsen aus der Lieferantenbasis, z. T. auch den eigenen Unternehmen
Ausgeprägte Vorbehalte in Rechtsund Datensicherheitsfragen
Diese und weitere Inhalte sind im gemeinsam mit Andreas H. Glas verfassten Kompaktbuch „Einkauf 4.0: Digitale Transformation der Beschaffung“ 2017 im Springer-Verlag erschienen.

Ausblick

Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt: Industrie-4.0-Anwendungsbeispiele, aus denen sich für Handel bzw. Lieferanten sowie den industriellen Einkauf Potenziale und neue Ansätze ergeben, sind reichlich vorhanden. Und dabei handelt es sich keineswegs um reine Zukunftsmusik: Konzepte wie autonome Nachbestellung von Druckertonern, Webcam-überwachte Kleinteilbehälter mit selbstständiger Wiederbefüllung oder „Prescriptive Maintenance“ von Produktionsanlagen sind mittlerweile solide etablierte, innovative Beschaffungskonzepte.

Natürlich gibt es auch noch Herausforderungen zu bewältigen, sei es die Reife der erforderlichen IT-Technologien oder Fragestellungen rund um die Datensicherheit. Am Ende werden jedoch diejenigen Unternehmen erfolgreich sein, die Digitalisierung aktiv angehen – sei es auf der Lieferantenseite durch Anpassung der Geschäftsmodelle oder, auf Einkaufsseite, durch gezielte Nutzung vorhandener Produkt- bzw. Prozessinnovationen. Ein strategisch fundierter Ansatz bietet dabei den Vorteil, zielorientiert Erfolgspotenziale zu heben – und nicht kurzfristigen Trends aufzusitzen. Die Besonderheiten der industriellen Beschaffung sollten jedenfalls kein Hinderungsgrund sein, das Thema „Einkauf 4.0“ voranzutreiben. //

 

 

Autorenvita: Prof. Dr. Florian C. Kleemann

 

 

Der Text ist unter der Lizenz CC BY-SA 3.0 DE verfügbar.
Lizenzbestimmungen:
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Teil 5: Einleitung

Disziplin im Umgang mit Kapital ist eine der wesentlichen Voraussetzungen, damit Händler auch nach der Gründung noch beständig wachsen können.

Diese Einleitung gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Kapitalbeschaffungsmaßnahmen speziell für Handelsunternehmen. Auf die gerade für diese Branche wichtigen Bereiche des Factorings und des Forderungsmanagements wird dann später im Kapitel vertiefend eingegangen.

Gründungsphase
Business-Angels und Venture-Capital-Gesellschaften: Unternehmen erhalten noch selten Bankkredite, da sie meist über keine Sicherheiten verfügen. Gute Ideen können trotzdem auf förderndes Kapital hoffen. Vermögende private Investoren, sogenannte Business-Angels, finden sich nicht nur in immer populäreren TV-Formaten, auch Fachmessen und Kongresse bieten Pitches an, die Geldgeber locken. In den Reihen der Zuhörer finden sich dabei auch Vertreter von Venture-Capital-Gesellschaften wie beispielsweise e.ventures, einer Tochter der Otto Group.
Crowdfunding: Über eine Plattform sollen möglichst viele Investoren angesprochen werden, die auch kleinere Summen beisteuern können. Viralität ist gefragt, um hier möglichst erfolgreich zu sein. Bonus: Die Anleger von gestern sind die Kunden von heute! Auch in späteren Unternehmensphasen kann immer wieder auf die Crowd zurückgegriffen werden, sei es zur Betriebsmittelfinanzierung oder als Wachstumskapitalgeber.

Betriebsphase
Ist der Anfang geschafft, existiert eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten. Neben dem klassischen Bankkredit sind dies:
Der Börsengang: Eines der wichtigsten Motive für einen Börsengang ist es, dem Unternehmen durch Ausgabe von Aktien neue finanzielle Mittel zuzuführen. Dieses Kapital dient einerseits der Finanzierung von Wachstum, andererseits der Eigenkapitalstärkung. Auch die Fremdkapitalkosten können durch Verbesserung der Bonität verringert werden.
Beteiligungsgesellschaften: Bei der typischen stillen Beteiligung wird der Investor am Gewinn beteiligt, jedoch nicht am Vermögen. Als Gläubiger des Unternehmens kann er ausbezahlt werden, wenn der Cashflow dies zulässt. Bei der offenen Beteiligung wird der Investor auch Gesellschafter des Unternehmens mit allen Rechten und Pflichten. Zwar gibt man damit einen Teil seiner unternehmerischen Freiheit auf, doch gerade für unerfahrene Unternehmer kann dies auch ein Vorteil sein, holt man sich doch zusätzliche Expertise ins Haus.
Absatzfinanzierung: Die Finanzierung zu verkaufender Waren mittels Kredit. Sie erfolgt gegenüber Privatkunden im Konsumbereich in Form von Privatkrediten. Im gewerblichen Bereich ist neben Leasing (s. u.) eine Vielzahl von Finanzierungsformen und Kreditarten anzutreffen. Die Absatzfinanzierung erlangt zunehmende Bedeutung, da insbesondere große Handelsketten eine Subventionierung der Zinsen für Privatkredite übernehmen, um den Absatz von Produkten zu forcieren. Einen besonderen Stellenwert hat die Absatzfinanzierung im Bereich der Automobilfinanzierung. Beinahe alle großen Autohersteller haben dafür eigene Banken gegründet, sogenannte „Captives“, bzw. haben mit Banken und Leasinggesellschaften entsprechende Rahmenverträge abgeschlossen.
Leasing: Eine Finanzierungsalternative, bei der das Leasingobjekt vom Leasinggeber beschafft und finanziert wird und dem Leasingnehmer gegen Zahlung eines vereinbarten Leasingentgelts zur Nutzung überlassen wird. Leasingverträge können mit zusätzlichen Vereinbarungen wie einer Kaufoption oder der Übernahme der Wartung des überlassenen Objekts durch den Leasinggeber gegen einen monatlichen Pauschalpreis verbunden sein. Eine Sonderform ist das Sale-and-lease-back: Das Unternehmen verkauft Objekte aus seinem Besitz an eine Leasinggesellschaft und least sie dann zurück. Dadurch gewinnt das Unternehmen kurzfristig Liquidität, hat aber in der Folge kontinuierliche Liquiditätsbelastungen durch die Leasingraten. Bilanz- und Steuervorteile sind häufig Gründe für Leasinggeschäfte. //

Quellen:
Vgl. Seite „Börsengang“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 3. April 2018, 03:01 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=B%C3%B6rsengang&oldid=175707950 (Abgerufen: 17. April 2018, 08:35 UTC)
Vgl. Seite „Absatzfinanzierung“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. März 2016, 15:40 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Absatzfinanzierung&oldid=152107177 (Abgerufen: 17. April 2018, 08:58 UTC)
Vgl. Seite „Leasing“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 28. März 2018, 20:44 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Leasing&oldid=175511840 (Abgerufen: 17. April 2018, 09:15 UTC)

Was bringen QR-Codes?

Eine empirische Studie zu ihrem Nutzen an Einzelhandelsgeschäften

von Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder und Dr. Sophie König

QR-Codes, die Händler an ihren Schaufenstern und Fassaden anbringen, lassen sich als eine Möglichkeit betrachten, die Wettbewerbssituation der stationären Geschäfte zu stärken. Der Gedanke: QR-Codes erhöhen die Reichweite der Geschäfte, wenn sie erstens Kunden auch außerhalb der Öffnungszeiten erreichen, zweitens Kunden ansprechen, die während der Öffnungszeiten das Geschäft nicht betreten wollen oder können, und drittens Kunden interessieren, die zwar im Geschäft sind, aber vor dem Betreten oder nach dem Verlassen des Geschäftes noch Informationen oder den Zugang zu Online-Seiten erhalten, die sie innerhalb des Geschäftes nicht erlangen. QR-Codes haben das Potenzial, anonyme Kunden zu „persönlich bekannten“ Kunden zu entwickeln. Wenn die Kunden bereit sind, ihre persönlichen Daten anzugeben und der Zusendung von Informationen einzuwilligen, so eröffnen sich den Händlern neue Wege der persönlichen Ansprache. Nicht ausgeschöpft werden kann das Potenzial, wenn die QR-Codes nur schlecht wahrzunehmen sind, ihr Gebrauch Probleme bereitet, der vermittelte Nutzen fraglich ist oder die Passanten die QR-Codes nicht scannen.

Die Einschätzung der Praxis

Es gibt eine Reihe von Veröffentlichungen aus der Praxis, die über Erfolgsgeschichten der QR-Codes schreiben, QR-Codes auf Erfolgskurs sehen oder über Erfolg versprechende Einsatzmöglichkeiten berichten, ohne sich auf empirische Ergebnisse zu stützen. Um eine solche Basis zu schaffen, haben wir eine umfangreiche Untersuchung durchgeführt. Wir haben QR-Codes an Geschäften erhoben und ausgewertet sowie Händler und Passanten zur Akzeptanz von QR-Codes befragt (zum Untersuchungsdesign siehe Kasten, ausführlich zu der Untersuchung siehe Schröder/König, 2017).

Welche Händler QR-Codes anbringen

Wir schildern hier unsere Beobachtungen aus dem Jahr 2014. Sie zeigen zunächst, dass der Anteil der Einzelhandelsgeschäfte mit QR-Codes in jeder der sieben Städte lediglich bei einem Fünftel oder weniger liegt. Anders ausgedrückt: Die klar überwiegende Mehrheit der Einzelhändler verzichtet auf den Einsatz dieser Art von QR-Codes.
Des Weiteren zeigt sich:

Ober-, Mittel- und Unterzentren unterscheiden sich nicht wesentlich, was den jeweiligen Anteil der QR-Codes an den Einzelhandelsgeschäften betrifft.
Einzelhandelsgeschäfte in Hauptlagen haben einen höheren Anteil an QR-Codes als Geschäfte in Nebenlagen.
Filialisierte Betriebe haben einen höheren Anteil an QR-Codes als Betriebe selbstständiger Einzelhändler.

Somit setzen viele strukturell benachteiligte Einzelhändler, nämlich solche in Orten mit niedriger Zentralität, in Nebenlagen und mit weniger Ressourcen ausgestattete Selbstständige, nicht oder in nicht zielführender Weise auf QR-Codes an ihren Geschäften, um sich mit der digitalen Welt zu verbinden.

Wo sich QR-Codes finden und wo die Nutzer landen

Rund 59 % aller QR-Codes sind im Schaufenster platziert, knapp 27 % auf einer Glastür und gut 10 % am Türrahmen. Es finden sich kaum QR-Codes an Fassaden, an Säulen und in Schaukästen der Geschäfte. Die Personen, die die QR-Codes erhoben haben, haben in 70 % der Fälle gesagt, dass ihre Auffindbarkeit leicht gewesen sei.

Die Filialbetriebe leiten die Nutzer mit ihren QR-Codes zu großen Teilen entweder auf reine Informationsseiten, in ihre Online-Shops oder zu sozialen Medien. Dagegen ist der Anteil von Verlinkungen zu Online-Shops bei den Betrieben selbstständiger Einzelhändler deutlich geringer, was schlicht daran liegt, dass sie über weniger Online-Shops verfügen als die Filialsysteme. Sie leiten überwiegend weiter zu Informationsseiten, mit einem erheblichen Anteil an Seiten fremder Marken. Auch zeigte sich: Die Qualität der QR-Codes filialisierter Betriebe ist besser als die von Betrieben selbstständiger Einzelhändler, sie haben einen deutlich höheren Anteil mobil-optimierter QR-Codes.

Was die Einzelhändler zu QR-Codes sagen

Ende 2015 haben 102 Einzelhändler die Fragen beantwortet, aus welchen Gründen sie QR-Codes anbringen, wie häufig sie die Abrufe der QR-Codes erfassen, welche Ziele sie mit den QR-Codes verfolgen, welches dieser Ziele das wichtigste sei und in welchem Ausmaß es erreicht worden sei. Als Grund für die Anbringung von QR-Codes nannten rund 56 % der Händler, dass sie Informationen und Werbung vermitteln oder Kunden zu ihren Online-Shops weiterleiten wollen.

 

Fakten zur Studie
Zeitraum der Beobachtung: Frühjahr 2014 und Herbst 2015
Art der Einzelhändler: Filialsysteme, Verbundgruppen, nicht kooperierte Einzelhändler
Untersuchungsstädte: zwei Oberzentren, zwei Mittelzentren, drei Unterzentren
Untersuchungsorte: Einkaufszentren, Hauptlagen, Nebenlagen
Anzahl der Geschäfte mit QR-Codes: 2014: 199, 2015: 196
Anzahl der analysierten QR-Codes: 2014: 302, 2015: 299
Stichprobe in der Befragung: Herbst 2015: 102 Händler,
1 218 Passanten

 

Bei ca. 21 % der Geschäfte war es eine Vorgabe von der Zentrale oder sonstigen Dritten, bei ca. 16 % ein allgemeiner Trend, dem man sich anschließt. Rund 25 % der Befragten konnten sich nicht erinnern oder sagten sogar, nie einen QR-Code dieser Art angebracht zu haben.

Bei allen Antworten gibt es – mit Ausnahme der „Vorgabe von der Zentrale“, dies ist für Selbstständige nicht relevant – kaum Unterschiede zwischen Filialbetrieben und Betrieben selbstständiger Einzelhändler. Knapp 57 % der Händler erfassen überhaupt nicht die Anzahl der Abrufe der QR-Codes, die Passanten vor ihrem Geschäft eingescannt haben, 43 % in unterschiedlichen Abständen.

Die Frage nach den Zielen beantworteten 27 % der Befragten nicht. 32 % wollen die Reichweite der Kunden erhöhen bzw. Kunden gewinnen und den Umsatz steigern, 40 % Informationen und Vorteile vermitteln, 18 % die Personen zu ihrer Website bzw. zum Online-Shop weiterleiten, 12 % im Trend liegen bzw. das Image verbessern. Es waren mehrfache Antworten möglich.

Die Frage nach dem wichtigsten Ziel beantworteten 27 % der Befragten nicht. Die Reihenfolge der wichtigsten Ziele ist: die Reichweite der Kunden erhöhen bzw. Kunden gewinnen und den Umsatz steigern, Informationen und Vorteile vermitteln, die Personen zu ihrer Website bzw. zum Online-Shop weiterleiten sowie im Trend liegen bzw. das Image verbessern. 54 Händler haben Angaben zur Zielerreichung gemacht. Bei fast 41 % von ihnen liegt die Zielerreichung nicht oberhalb der 20 %-Marke, bei 74 % nicht oberhalb der 50 %-Marke. Weniger als 10 % der Händler sehen die Zielerreichung oberhalb der 80 %-Marke.

 

QR-Codes werden in den wenigsten Fällen zielorientiert geplant und die Ergebnisse kaum systematisch ausgewertet.

Wie sich die Passanten zu QR-Codes äußern

Etwas mehr als 46 % der 1 218 Passanten hatten schon einmal irgendeinen QR-Code eingescannt und gut 42 % von allen einen QR-Code von außen an dem Schaufenster oder an der Fassade eines Einzelhandelsgeschäfts in der Stadt gesehen, 7 % von allen einen solchen QR-Code dann eingescannt. Davon beurteilte gut ein Drittel – das sind gut 2 % von allen – die erhaltenen Informationen als nützlich (Stufen 5, 6 und 7 auf einer siebenstufigen Skala). Der durchschnittliche Wert, wie nützlich die Befragten die Informationen beurteilen, nachdem sie den QR-Code eingescannt hatten, lag bei 3,8.

428 Personen antworteten auf die offene Frage, warum sie noch nie einen QR-Code an Einzelhandelsgeschäften eingescannt haben. Die Gründe aus 493 Antworten lassen sich wie folgt kategorisieren: fehlende technische Voraussetzungen (119), fehlende Zeit und Bereitschaft, sich damit zu beschäftigen (76), Unsicherheit und fehlendes Vertrauen in die QR-Codes (23), kein Interesse an den Informationen, die der QR-Code vermittelt (23), sowie – ohne dies näher spezifiziert zu haben – kein Interesse (102), kein Nutzen (79) und keine Lust (48). Zudem wurden die Wahrnehmungen als unbewusst beschrieben (09) und „weiß nicht“ (14) genannt.

QR-Codes an Einzelhandelsgeschäften – was sie bringen

Die Ergebnisse aus den Befragungen der Einzelhändler und aus den Beobachtungen zu der Art und Weise, welche QR-Codes wie angebracht worden sind, führen zu der Vermutung, dass die Händler in den wenigsten Fällen den Einsatz der QR-Codes zielorientiert planen und sie die Ergebnisse kaum systematisch erfassen und auswerten. Eine Reihe von Antworten lässt erkennen, dass man die QR-Codes verwendet, weil es „modern“ ist; dies geschieht aber nicht aus der Überzeugung, einen Wettbewerbsnachteil aufholen zu können. Filialbetriebe und Betriebe selbstständiger Einzelhändler unterscheiden sich wenig in ihrem Verhalten.

Die Ergebnisse aus der Befragung der Passanten vermitteln den Eindruck, dass stationäre Einzelhändler mit QR-Codes an ihren Schaufenstern und Fassaden keinen Wettbewerbsnachteil aufholen oder einen Wettbewerbsvorteil erzielen können. Denn nur rund 7 Prozent der Befragten haben schon einmal einen solchen QR-Code eingescannt. In den anderen Fällen fehlen den Passanten die technischen Voraussetzungen, die Zeit, die Bereitschaft oder das Vertrauen, sich damit zu beschäftigen. Zudem haben sie kein Interesse an den Informationen oder sehen für sich keinen sonstigen Nutzen.

Viele digitale Techniken und Anwendungen sind in den letzten Jahren entwickelt worden. Gerade selbstständige Einzelhändler und insbesondere solche mit einer schlechteren Ressourcenausstattung und in einer schlechteren Wettbewerbssituation werden sich fragen, welche dieser Techniken sich eignen, um den Anschluss an den Wettbewerb zu halten oder wiederherzustellen. QR-Codes an den Schaufenstern oder Fassaden ihrer Geschäfte werden es solange nicht sein können, wie Passanten solche Codes nicht nutzen können oder wollen.

Zu untersuchen ist nun, welche Informationen, die sich über diese QR-Codes vermitteln lassen, den Passanten einen besseren Nutzen stiften könnten und welche Kommunikationsformen sich eignen, um auf sie aufmerksam zu machen. Ebenso ist nach den Ursachen zu forschen, ob stationäre Einzelhändler über den Einsatz solcher QR-Codes tatsächlich Wettbewerbsnachteile aufholen oder sogar Wettbewerbsvorteile erlangen können. //

 

 

Autorenvitae: Univ.-Prof. Dr. Hendrik Schröder und Dr. Sophie König

 

 

 

Quelle: Die ausführliche Darstellung der Untersuchung finden Sie in Schröder, H.; König, S., QR-Codes im stationären Einzelhandel zur Anbindung an die digitale Welt – eine empirische Bestandsaufnahme, in: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (2017) Nr. 5, S. 568-584

 

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Verschlüsselung ist nicht alles

Verbraucherdaten sind zu schützen – Datensicherung und Anonymisierung im Handel

von Dr. Christoph Hönscheid

Aufgrund der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) muss auch der Handel wirksame Maßnahmen zum Schutz von Informationen ergreifen. Gerade in dieser Branche werden Daten häufig in Bereichen verarbeitet, über die das Unternehmen keine Kontrolle hat, so zum Beispiel bei den großen Cloud-Anbietern in den USA. Anonymisierungs-Gateways als „Single Point of Control“ können kritische Daten auf ihrem Weg dorthin „entschärfen“, ohne die Funktionen betroffener Applikationen zu beeinträchtigen.

Der Handel gehört seit Jahren zu den bevorzugten Zielen von Cyberkriminellen: Hier können sie, sofern sie mit ihrem Treiben erfolgreich sind, an große Mengen von Kundendaten kommen, und hier fällt ihnen der Erfolg oft genug recht leicht, weil die Unternehmen ihre Daten weniger gut schützen als beispielsweise in der Industrie, im Finanzsektor oder im Bereich Forschung und Entwicklung. Dabei sind Daten im Handel und besonders im Einzelhandel in hohem Maße „kritisch“ – Verbraucherdaten, vielleicht sogar mit Informationen über Kreditkarten oder Bankverbindungen lassen sich schneller und unkomplizierter monetarisieren als Daten, die in anderen Bereichen abgegriffen wurden.

Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die ab Mai endgültig in Kraft tritt, ändern sich jedoch auch für den Handel die Rahmenbedingungen der Datensicherheit. Wenn Unternehmen massive Strafzahlungen vermeiden wollen, müssen sie beizeiten wirksame Maßnahmen ergreifen, um für alle Geschäftsanwendungen einen höchstmöglichen Schutz der personenbezogenen Informationen sicherzustellen. Die DSGVO fordert den Schutz personenbezogener Daten über deren gesamten Lebenszyklus hinweg – Unternehmen müssen also jederzeit die volle Kontrolle über diese Daten behalten, von der Erfassung bis zur Archivierung. Das gilt für selbstentwickelte Anwendungen ebenso wie für Standard-Software und natürlich auch für Cloud-Services – es sind also beispielsweise sowohl die Anwender von SAP als auch von Salesforce betroffen.

Auch im Handel lagern ja immer mehr Unternehmen Geschäftsprozesse in die Cloud aus, da Cloud-Services hinsichtlich Flexibilität, Skalierbarkeit und Kosten unübersehbare Vorteile bieten. Die Sicherung von Ge-schäftsdaten – und damit auch Kundendaten – ist aber in Cloud-Anwendungen immer eine besondere Herausforderung. So hat das jewei-lige Unternehmen dann nicht mehr die alleinige und vollständige Kontrolle darüber, wie mit den Daten verfahren wird. Insbesondere aber schreiben regulatorische Vorgaben gerne vor, dass Daten den betreffenden nationalen Geltungsbereich nicht verlassen dürfen. Wer also zum Beispiel die Kundendaten seiner chinesischen Niederlassung mit Salesforce verarbeiten möchte, das wiederum die Daten in einem japanischen Rechenzentrum speichert, hat ein Problem, das sich ohne Verschlüsse-lung oder Verschleierung der Daten nicht beheben lässt. Nur so ist sichergestellt, dass die Daten unkenntlich das Land verlassen und erst wieder lesbar werden, wenn sie zurückkommen.

Insbesondere regulatorische Vorgaben sehen oft vor, dass Daten den jeweiligen nationalen Geltungsbereich nicht verlassen dürfen.

Für die Sicherung sensibler Daten in der Cloud eignet sich besonders eine spezielle Cloud-Data-Protection-Lösung – ein Anonymisierungs-Gateway, das sämtliche sensiblen Informationen verschlüsselt oder verschleiert, bevor sie überhaupt erst an die Cloud-Anwendung übermittelt werden. Wichtig sind dabei die folgenden Anforderungen:

  • Das Gateway sollte so flexibel sein, dass es für eine Vielzahl von Cloud- oder Web-Anwendungen und Datenbanken angepasst werden kann;
  • die Lösung darf die Funktionalität der Anwendungen trotz Veränderung der Daten nicht einschränken; Funktionen wie Suchen, Sortieren und Reporting müssen weiterhin problemlos möglich sein.

Anonymisierungs-Gateways bieten für die Verschleierung der Daten einen „Single Point of Control“, der unabhängig von den Anwendungen und den zu schützenden Daten administriert wird. Die Cloud-Anwendung erhält zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf Schlüssel oder Daten im Klartext, denn die Schlüssel verbleiben ausschließlich beim Gateway und damit beim Anwenderunternehmen. Sie werden dort von speziellen Sicherheitsadministratoren verwaltet, die zwar bestimmen, welche Nutzer die Informationen im Klartext lesen dürfen, die aber selbst keinen Zugriff auf Anwendung und Speicherort der Daten haben. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel für Handelsunternehmen komplette Supply-Chains in der Cloud abbilden, ohne dass dadurch die Daten gefährdet werden. Anonymisierungs-Gateways arbeiten mithilfe eines flexiblen Template-Konzepts, das die Möglichkeit zur selektiven Datenverdunklung bietet. Mit anpassbaren Templates können Unternehmen die wirklich kritischen Daten auswählen und diese gezielt so verbergen, dass sie von der Anwendung noch akzeptiert werden.

Grenzen der Verschlüsselung

Unbestritten ist Verschlüsselung für die Bewältigung dieser Aufgabe eine performante und sichere Methode, um die Daten zu schützen. Sie ist aber nicht in jedem Fall die ausreichende Antwort. Verschlüsselte Daten sind ja nicht mehr als kryptische Zeichenketten, die nicht mehr erkennen lassen, dass sie zuvor beispielsweise eine Postleitzahl waren. Genau dies erwarten Anwendungen allerdings und prüfen, ob in das Feld „PLZ“ wirklich eine fünfstellige Zahl eingegeben wird. Außerdem sollte für Auswertungen oder Reports eine Postleitzahl zwar nicht konkret identifizierbar, aber doch weiterhin als Postleitzahl einer Region erkennbar sein.

Diese Anforderungen löst die Technik des Data-Maskings beziehungsweise der Data-Obfuscation (Datenverdunklung): Hier werden die Daten nicht einfach verschlüsselt, sondern so verschleiert, dass ihre Struktur weiterhin erhalten bleibt; eine Postleitzahl sieht also nach wie vor wie eine Postleitzahl aus, lediglich ihr Inhalt wurde so verändert, dass keine Rückschlüsse mehr auf den betreffenden Datensatz möglich sind. Das Gateway löst die Verschleierung beim Abruf der Daten durch berechtigte Personen dann wieder auf. Die betreffenden Anwendungen und Datenbanken funktionieren weiterhin einwandfrei; zugleich ist den Vorschriften Genüge geleistet, denn es gingen keinerlei Klardaten nach draußen.

Handelsunternehmen erfüllen mit einem Anonymisierungs-Gateway gleich mehrere Anforderungen: Sie sichern die Kundendaten und damit ihr wertvollstes Kapital; sie erfüllen die gesetzlichen Vorgaben und vermeiden damit Strafen; sie halten ihre ERP- und CRM-Anwendungen auch in Infrastrukturen, die sie nicht kontrollieren können, trotzdem weiter voll funktionsfähig, sodass sie weiter wettbewerbsfähig agieren können. //

Autorenvita: Dr. Christoph Hönscheid

 

 

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