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Wissen, was der Kunde will

Die Bedeutung des Mobile Marketing für den innerstädtischen Handel

von Prof. Dr. Gerrit Heinemann
und Frederic Handt

Wie sieht die Zukunft des stationären Handels und der Innenstädte aus? Im fünften Jahr in Folge befragte die Hochschule Niederrhein in der „Großen Handels-Studie“ mehr als 2 000 Verbraucher nach ihrem Smartphone- und Einkaufsverhalten. Die aktuelle, repräsentative Erhebung im Auftrag von Bonial Deutschland (www.bonial.de) und des Handelsverbands Deutschland (HDE) zeigt: Die Erwartungen an das digitale Angebot von Einzelhändlern in Innenstädten sind groß. Die Nutzung des mobilen Internets hat eine herausragende Bedeutung erlangt – bei der Shopping-Vorbereitung und der Frequenzgenerierung des innerstädtischen Handels.

Smartphone hat Schlüsselrolle für die Zukunft des stationären Handels

Eine Schlüsselrolle für den aktuellen „Wandel im Handel“ spielt zweifelsohne das Smartphone. Bereits mehr als 83 Prozent der erwachsenen Deutschen sind im mobilen Internet unterwegs und möchten ihre Einkäufe vor Ort über Mobiles oder Tablets vorbereiten. Dieses zeigt eindrucksvoll das digitale Universum in 2017 (vgl. Abbildung 1). Die Mehrheit der Non-Food-Einkäufe folgt bereits diesem Muster, Tendenz steigend – auch für Lebensmittel. Produkte und Angebote des Handels sollten daher unbedingt in mobil-optimierter Form zur Verfügung gestellt werden. Shopper bevorzugen dabei interaktive Werbeplattformen, die 34 % der Kunden mindestens einmal pro Monat über die App und 27 % über die Website abrufen. Die hier präsentierten Inhalte sollten vor allem Preis (86 %) und Verfügbarkeit (72 %) sein.

Abb. 1: Digitales Universum in 2017; Darstellung: Heinemann 2018 auf Basis „kaufDa-Studie 2017“

Die Studie zeigt auch: Die Nutzung des Mobile Web als Einkaufshelfer ist heute für fast alle Kunden und Altersgruppen relevant. Darin liegt eine große Chance, zumal dunkle Wolken für den innerstädtischen Handel sowie insbesondere den kleinen und mittelständischen Händler aufziehen. Deswegen führt für den stationären Handel kein Weg daran vorbei, im Netz präsent zu sein. Wer sich am Markt behaupten will, muss auf jeden Fall prüfen, ob er selbst in den Online-Handel einsteigt, was sicherlich viele Händler überfordert. Es muss auch nicht immer gleich ein eigener Online-Shop gelauncht werden. In jedem Fall aber sollte jeder Händler zumindest im Internet auffindbar sein. Dazu bieten Location-based Services oder App-basierte Werbeplattformen wie kaufDA hervorragende Lösungen, die nachweislich von den Kunden honoriert werden.

Gründe für den Innenstadt-Einkauf

Hauptanlass für das Aufsuchen der City ist demnach, ein bestimmtes Produkt zu benötigen und dieses gezielt zu besorgen. Das geben 48 Prozent und damit fast die Hälfte der Kunden als Grund für einen Innenstadtbesuch an. Demgegenüber ist der Innenstadtbummel nur für 28 Prozent und damit gut ein Viertel der Kunden Anlass für den Besuch der City. Dieses widerspricht der These, dass der innerstädtische Handel überwiegend von Erlebniskäufern lebt und verdeutlicht das Risiko, dass vor allem Bedarfskäufe stark vom Online-Kauf substituierbar sind. Letzterer ist in der Regel bequemer für die Kunden. Deswegen dürfen Städte den Convenience-Aspekt nicht vernachlässigen – also die Erreichbarkeit, Zuwegung und das Parkplatzangebot.


Vom stationären Handel erwarten die Kunden neben dem Einkaufserlebnis vor allem eine exzellente und individuelle Beratung.


Geht es um den Einkaufsbummel und damit Freizeitbeschäftigung, steht der Innenstadtbesuch zwar auch in Konkurrenz zum „Freizeitsurfen im Internet“, jedoch auch im Wettbewerb mit anderen Freizeitaktivitäten, die Städte stärker auf den Schirm nehmen sollten („Städte als Freizeitparks“). Vom stationären Handel erwarten die Kunden neben dem Einkaufserlebnis vor allem eine exzellente und individuelle Beratung. Dieses gilt vor allem für Kunden über 50, die auch die Ware im Geschäft anfassen und ausprobieren möchten. Vor allem für spezialisierte, kleinere Händler geht es darum, den persönlichen Kontakt zum Kunden zu pflegen und einen perfekten Service abzuliefern. Der viel diskutierte Beratungsklau ist diesbezüglich ein überschätztes Thema, denn nur bei 1,4 Prozent aller Einzelhandelsausgaben informieren sich die Kunden zuvor im stationären Handel.

Der umgekehrte Weg findet erheblich häufiger statt, nämlich dass sich die Kunden zunächst im Internet einen Überblick verschaffen und dann im Laden vor Ort einkaufen. Vor allem die jüngeren Kunden unter 50 informieren sich für den Kauf in erster Linie über Suchmaschinen, Einkaufsplattformen, Preis- und Produktvergleichsseiten, Blogs sowie Online-Testseiten. Die Mehrzahl der Non-Food-Einkäufe folgt bereits diesem Muster, Tendenz steigend – auch für Lebensmittel. Für die Handelsunternehmen wird es deswegen immer wichtiger, den Kunden die Möglichkeit zur Vorbereitung ihrer stationären Einkäufe zu geben. Darin liegt zweifelsohne auch der Schlüssel zur Rettung der Innenstadt. Deswegen vertieft die aktuelle Zeitreihe auch die Thematik des innerstädtischen Einkaufs sowie der Gründe für den stationären Einkauf, also des „Drive to Store“.

Erwartungshaltung an digitale Angebote der Innenstadt hoch

Grundsätzlich steigt beim Innenstadt-Einkauf die Neigung, sich für den Kauf selbst zu informieren und dazu ein Gerät und/oder eine App zu nutzen (32 %). Bereits rund drei Viertel der Befragten halten die Informationen im Internet für besser. Hier gibt es Handlungsbedarf, um Kunden nicht aufgrund falscher Annahmen an Online-Anbieter zu verlieren. Denn die Erwartungen an digitale Angebote der Innenstadt sind hoch. Knapp die Hälfte (45 %) möchte, dass sämtliche Informationen über Geschäfte in der City online verfügbar sind. Über die Hälfte der befragten Personen würde den Service nutzen, sich nicht verfügbare Waren aus Geschäften der Innenstadt kostenlos nach Hause liefern zu lassen (52 %). Die gleich hohe Anzahl der Befragten denkt, dass die Produktverfügbarkeit der Geschäfte im Internet erkennbar sein sollte.

Nicht gut kommt es allerdings an, wenn Kunden von Händlern via Push-Notifications unaufgefordert über Angebote informiert werden (Ablehnung mit 51 %), auch wenn diese einen lokalen Bezug haben (Ablehnung mit 17 %). Die Erwartungshaltung der Kunden zeigt eindeutig, dass Pull-Angebote für sie attraktiver als Push-Nachrichten sind. Denn 45 % der Befragten möchten sich lieber in Eigenregie via mobiler Endgeräte mit Information versorgen und 43 % der Befragten ärgert es, wenn unaufgefordert Werbung aufgespielt wird (Spitzenantwort), weswegen sogar 20 % Ad-Blocker nutzen. Dieses gilt nicht für segmentierte Push-Nachrichten, die auf Nutzerpräferenzen bzw. -verhalten basieren und das von Retailern gewünschte „Drive to Store“ mit überlegenen Conversion-Rates fördern. Sie werden deswegen auch von Bonial bzw. kaufDA und MeinProspekt genutzt, die auch mit dem Einsatz von Geo-Targeting und Push-Nachrichten eine Ansprache des Kunden in der Nähe eines Marktes ermöglichen.

Die Kunden bevorzugen interaktive Werbeplattformen wie kaufDA, die bereits 34 % von ihnen regelmäßig über die App und 27 % über die Website abrufen (mind. einmal im Monat). Damit kommt der kaufDA-Plattform als Zubringer für den innerstädtischen Handel eine herausragende Rolle zu. Dies verdeutlicht auch den Stellenwert vergleichbarer „pull-orientierter Location-based Services“, welche von den Kunden selbstbestimmt genutzt werden können. Die über diese Kanäle vermittelten Inhalte sollten vor allem Preis (86 %) und Verfügbarkeit (72 %) sein. Deswegen erscheint es unabdingbar, dass stationäre Kunden Angebote in digitaler und mobil-optimierter Form per Mobile abrufen können.

Kunden halten Informationen im Internet für besser und glaubwürdiger

Bereits jeder Fünfte würde es gut finden, wenn alle Händler auf kaufDA abrufbar wären. Fehlendes Wissen über bestehende Location-based Services hält aber 39 % der Kunden noch davon ab, derartige Dienste zu nutzen, obwohl sie bereits ihr Smartphone intensiv zur Kaufvorbereitung einsetzen. Aus Konsumentensicht sprechen demgegenüber viele Gründe für eine intensivere Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung. Rund 82 % „finden im Internet bessere Informationen“. Die Antworten „Das Personal findet nicht die für mich wichtigen Informationen“ (37 %) und „Ich halte das Personal für inkompetent“ (22 %) sowie „Personal nicht entsprechend der Erwartungshaltung von Kunden vorzufinden“ zeigen Handlungsbedarf bei den Beratungskonzepten des stationären Handels auf (vgl. Abbildung 2).

Abb. 2: Neue Kundenerwartungen an Informationen

Die Frage nach den „grundsätzlichen Anforderungen an Händler“ führt zur Erkenntnis, dass „Freundlichkeit/ Zuvorkommenheit“ immer noch an erster Stelle stehen. Darüber hinaus bleiben angemessene Preise, Fachkompetenz und fundierte Informationen wichtig. In der aktuellen Studie findet erstmals die „große Auswahl an (verfügbaren) Waren“ Erwähnung. Offensichtlich hat hier die Auswahl im Internet bereits die Erwartungshaltung der Kunden beeinflusst.
Zusammenfassend ist die Studie ein Fingerzeig für den stationären Handel:
Aus Kundensicht führt kein Weg daran vorbei, im Internet via Pull-Funktion alle relevanten Informationen über das Geschäft zugänglich zu machen, und zwar in Hinblick auf Produktangebot, Warenverfügbarkeit, Öffnungszeiten, Erreichbarkeit und Sonderangebote. Darüber hinaus wünschen die Kunden Liefermöglichkeiten. Dieses gilt auch für die Abholung online ausgesuchter Produkte im Geschäft, die gegenüber 2016 deutlich ansteigt. Eine Herausforderung ist es für stationäre Händler, das schlechte Image der Personalkompetenz zu bewältigen.

Fazit

Marketing hat sich in den letzten zwei Jahren mehr verändert als in den letzten 50. In einer Welt, in der Kunden sich selbst informieren, sind Apps die persönlichen Manager für lokales Einkaufen. Eine Mobile-First-Perspektive ist für den stationären Einzelhandel und für die Frequenz in den Innenstädten daher unerlässlich. Mobile Präsenz und Mobiloptimierung sind weit mehr als ein Nice-to-have: Heute gilt mehr und mehr „Mobile Only“. Für die Handelsunternehmen ist es unerlässlich, den Kunden per Smartphone die Möglichkeit zur Vorbereitung ihrer stationären Einkäufe zu geben. Darin liegt zweifelsohne der Schlüssel zur Rettung der Innenstadt. //

 

 

Autorenvitae: Prof. Dr. Gerrit Heinemann & Frederic Handt

 

Prof. Dr. Gerrit Heinemann

Frederic Handt

 

 

 

 

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https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/

Big – Smart – Fast

Unser Arbeitsalltag wird zunehmend von digitalen Daten beeinflusst. Big Data berührt alle Branchen und Märkte.

von Bernhard Haselbauer

Werfen wir im Kontext der Digitalisierung einen kurzen Blick zurück: Es wird angenommen, dass es der Menschheit im Jahr 2002 zum ersten Mal möglich war, mehr Informationen digital als analog zu speichern – der Beginn des „Digitalen Zeitalters“. Alles was heute an analogen Informationen in Bits und Bytes gewandelt werden kann, wird zu Daten. Im Zuge der Digitalisierung, die Unternehmen im Kontext betrieblicher Abläufe zu Effizienzsteigerung und damit einer verbesserten Wirtschaftlichkeit verhilft, wachsen die Daten dementsprechend exponentiell. Wir sprechen heute von Big Data. Der aus dem englischen Sprachraum stammende Begriff Big Data oder auf gut Deutsch Massendaten steht dabei grundsätzlich für große digitale Datenmengen, aber auch für deren Analyse, Nutzung, Sammlung, Verwertung und Vermarktung.

In der Definition von Big Data bezieht sich das „Big“ auf die drei Dimensionen „volume“, für Umfang und Datenvolumen, „velocity“ für die Geschwindigkeit, mit der die Datenmengen generiert und transferiert werden, sowie „variety“ für die Bandbreite der Datentypen und -quellen. Erweitert wird diese Definition um die zwei V „value“ und „validity“, welche für einen unternehmerischen Mehrwert und die Sicherstellung der Datenqualität stehen. Die gesammelten Daten können dabei aus verschiedensten Quellen stammen: Überwachungssysteme, Nutzung von Kunden- oder Bank- bzw. Bezahlkarten, jegliche elektronische Kommunikation, Navigationssysteme, GPS, Smartphones, Smart Homes, Fahrzeuge aller Art, von Behörden und Unternehmen erhobene und gesammelte Daten, Sensordaten im Kontext von IoT und Industrie.

Die Analyse, Erfassung und Verarbeitung von großen Datenmengen ist heute in vielen Bereichen alltäglich, aber verbesserungswürdig hinsichtlich Big Data.
Datenmengen sind und werden zu groß, zu komplex, zu schnelllebig oder zu schwach strukturiert, um sie mit herkömmlichen Methoden der Datenverarbeitung auszuwerten. Aktuelle Entwicklungen von Software für die Verarbeitung von Big Data kommen neben klassischen prioritären Anbietern oft aus dem Open-Source-Bereich. Bekannt ist hier z. B. Apache Hadoop, ein freies Framework für skalierbare, verteilt arbeitende Software, die es ermöglicht, intensive Rechenprozesse mit großen Datenmengen auf Computerclustern durchzuführen.

Big Data kann Geschäftsprozess-Verbesserungen in allen Funktionsbereichen von Unternehmen, vor allem aber im Bereich der Technologieentwicklung und Informationstechnik sowie des Marketings, erzeugen. Die Erhebung und Verwertung der Datenmengen dient dabei im Allgemeinen der Umsetzung von Unternehmenszielen. Bisher haben vor allem große Branchen, Unternehmen und Anwendungsbereiche der Wirtschaft, Marktforschung, Vertriebs- und Servicesteuerung, Medizin, Verwaltung und Nachrichtendienste die entsprechenden digitalen Methoden für sich genutzt: Die erfassten Daten sollen weiterentwickelt und nutzbringend eingesetzt werden.

Die Erhebung der Daten dient dabei meistens für konzernorientierte Geschäftsmodelle sowie Trendforschung in den sozialen Medien und Werbeanalysen, um zukunftsweisende und möglicherweise gewinnbringende Entwicklungen zu erkennen. Big Data kann die Triebfeder für innovative Geschäftsmodelle und Produkte werden. Welches Marktpotenzial tatsächlich in Big-Data-Lösungen steckt, scheint nicht vorhersehbar: 2013 prognostizierte der US-Marktforscher IDC den weltweiten Umsatz für 2017 auf gut 32 Milliarden Dollar. Tatsächlich betrug er 2015 bereits 125 Milliarden.

VR- und AR-Technologien im Handel mit Zukunft

Die Redaktion im Gespräch mit Christian Feilmeier, Geschäftsführer bei The Retail Performance Company, und Peter Milotzki, VR-, AR- und Robotics-Experte bei The Retail Performance Company.

Peter Milotzki, VR-, AR- und Robotics-Experte bei The Retail Performance Company

Herr Milotzki welche Technologien stehen im Bereich Schulungs- und Trainingsanwendungen für den Handel heute bereit?
Aktuell verwenden wir für unsere Trainings vor allem die VR-Brillen Samsung Gear und die Microsoft HoloLens. Auch mit der Virtual-Reality HTC VIVE haben wir gute Erfahrung gemacht und sie bei dem ersten weltweiten virtuellen Produkttraining für BMW China eingesetzt. Die 6 000 Teilnehmer des Trainings, Verkäufer, Serviceberater und Product-Geniuses, konnten die neue Hinterachse der BMW 5er-Limousine hautnah erleben, ohne dass das Fahrzeug auf eine Hebebühne gehoben werden musste. In einem virtuellen Trainingsraum erklärten wir Produktdetails und Funktionen der Bauteilkomponenten. Für die Teilnehmer war es mit dieser Trainingsmethode viel einfacher, die komplexe Technik zu betrachten und vor allem zu verstehen.

Welche Vorteile bringt die VR- und AR-Technologie, um das Produkttraining für den Vertriebler der Zukunft zu optimieren?
Peter Milotzki: Ein Vorteil ist die Zeitersparnis. Als durchführender Trainer spart man in der Trainingseinheit rund 30 Prozent an Zeit, wenn AR- oder VR-Technologien eingesetzt werden, da die Inhalte klarer und strukturierter vorgestellt werden können als auf klassischen Powerpoint-Folien. Auch ist der Lernerfolg deutlich größer, weil sich die Teilnehmer an die Inhalte des Trainings leichter erinnern und die Verbindung zu den Themenfeldern schneller erfassen. Zudem hält die Aufmerksamkeit wesentlich länger als bei Teilnehmern, die ihren Inhalt nur in einem Selbststudium oder als „Frontalunterricht“ vermittelt bekommen. Sie können den Inhalt innerhalb der AR- und VR-Welt selbst entdecken und setzen sich spielerisch mit den Trainingsinhalten auseinander.

Inwieweit werden funktionierende VR- und AR-Anwendungen von den Mitarbeitern angenommen und als sinnvoll erachtet?
Peter Milotzki: Wir beobachten, dass weniger die neuen Technologien an sich in Frage gestellt werden, eher scheint die Angst vor Veränderung für die Mitarbeiter im Vordergrund zu stehen. Denn sie müssen gewohnte Arbeitsabläufe anpassen und sich mit der Anwendung der neuen Technologien auseinandersetzen. Entscheidend ist, dass sich Unternehmen darüber klar werden, wie die Technologie wirklichen Wert stiften soll und welche konkreten Use-Cases formuliert werden können, sonst ist der Einsatz und die interne Akzeptanz zum Scheitern verurteilt. Unsere Erfahrung zeigt, dass aber genau hier viel falsch gemacht wird: Nutzt ein Unternehmen AR- und VR-Technologien nur zum Ausprobieren oder als Türöffner, verkommt die Technik zum reinen Showeffekt, der keinen nachhaltigen Wert generiert und deswegen von den Mitarbeitern nicht angenommen wird.

 

Christian Feilmeier, Geschäftsführer bei The Retail Performance Company

Herr Feilmeier, wo sehen Sie für den Handel noch weitere innovative Einsatzmöglichkeiten für VR- und AR-Anwendungen?
Die Technologien helfen, neben der Schaffung von neuen Produkterlebnissen, Hemmnisse abzubauen und Berührungsängste zu minimieren – sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite. Gerade für erklärungsbedürftige und emotionale Produkte und Services bieten sie ein enormes Veränderungspotenzial, um Kunden komplexe Themen näherzubringen. So können Zusatzinformationen zu Produkten und Services angezeigt und visualisiert werden. Auf großen Verkaufsflächen werden bereits jetzt erste virtuelle Anwendungen eingesetzt, um Kunden durch das Geschäft zu lotsen und sie gezielt Angebote finden zu lassen. Darüber hinaus können Produkte schon präsentiert werden, bevor sie verfügbar sind.

Wie kann der stationäre Handel von VR- und AR-Technologien profitieren?
Christian Feilmeier: Der Einsatz von virtuellen Technologien im stationären Handel führt zu deutlich mehr Personalisierung und bietet neuartige Erlebniswelten. Mit dem eigenen Smartphone oder mit im Laden zur Verfügung gestellten Geräten haben Kunden die Möglichkeit, das komplette Warenangebot auszuwählen, zu konfigurieren und zu erleben. Weitere Vorteile sind die deutliche Senkung von Lagerkosten und die Kapitalbindung. Durch die Kombination digitaler Inhalte mit persönlicher Beratung entsteht noch dazu ein deutlicher Mehrwert gegenüber dem reinen Online-Handel.

Inwieweit spielen Robotics-Technologien bzw. Künstliche Intelligenz für die Customer-Journey eine Rolle – wie werden diese umgesetzt und von Kunden angenommen?
Christian Feilmeier Hier gibt es keine einheitliche Situation, aber wir erkennen den Trend zu einer zunehmenden Akzeptanz von KI-Technologien. Die Kundenreaktionen hängen stark von der konkreten, eingesetzten Lösung ab: Plumpe Roboter schaffen kein positives Erlebnis, menschliche Kopien rufen hingegen Ängste hervor. Der Kunde entscheidet letztendlich selbst, wie seine Customer-Journey verlaufen soll und welchen Mehrwert er in KI-Anwendungen sieht. Wichtig ist dem Kunden, dass man ihn (er-)kennt, dass man über seine bisherigen Transaktionen sowie seine Präferenzen Bescheid weiß. In einer Omnikanal-Welt geht dies nur auf Basis von Daten, die – zunehmend unterstützt durch KI – kanalübergreifend an allen relevanten Touchpoints zur Verfügung stehen müssen. Künstliche Intelligenz erweitert somit das Spektrum und das Zusammenspiel der Touchpoints. Die Herausforderung für Unternehmen liegt darin, die Touchpoints kundenzentriert zu entwickeln und richtig zu managen.

Gibt es schon Erfahrungswerte, inwieweit sich VR- und AR-Anwendungen auf den Absatz von Produkten im Positiven auswirken?
Christian Feilmeier: Wir kennen noch keine Studie, die die positive Wirkung von VR und AR auf den Absatz nachweist. Aber die Nachfrage des Handels nach diesen Lösungen steigt zunehmend. Die Attraktivität der Unternehmen nimmt zu, wenn innovative Technologien eingesetzt werden. Da leistet die spielerische Komponente einen enormen Beitrag, da sich Kunden in einer virtuellen Welt mit Produkten und Services auseinandersetzen können. AR und VR machen es möglich, dass Marken auf unkonventionelle Weise und an ungewohnten Orten optisch präsent sind und mit den Kunden interagieren. Das ist neu und macht den Menschen Spaß. So werden Emotionen geweckt, die Kunden stärker an die Marken binden – ein großes Potenzial für Unternehmen.

Welche Bedeutung haben VR-, AR- und Robotics-Anwendungen für die Customer-Journey der Zukunft?
Christian Feilmeier: Wir denken, dass sich die Customer-Journey innerhalb der nächsten fünf Jahre stark verändern wird. Sie ist kein linearer Prozess mehr, sondern entwickelt sich zu einer nicht vorhersehbaren Kundenreise mit Sprüngen zwischen den Vertriebskanälen. Auf der Gewinnerseite werden Unternehmen sein, die dem Kunden seine präferierte Reise bieten können.
Peter Milotzki: VR-, AR- und Robotics-Anwendungen erlauben dem Handel, bestehende Touchpoints zu optimieren und weitere, attraktive Touchpoints anzubieten. So können Unternehmen ihren Kunden ein vielfältiges Angebot bieten, um Kundenerwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Das ist eine große Chance für alle Unternehmen, mit der neue Zielgruppen und Märkte gewonnen werden können. //

 

 

Autorenvitae: Christian Fellmeier & Peter Milotzki

 

 

 

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Forderungsmanagement und Inkasso

Am Ende der Prozesskette liegen noch Ertragsreserven.

von Klaus Kuhlmann

Der Handel wäre zufrieden, wenn die Kunden beim Kauf direkt und mit einfachen Zahlungssystemen bezahlten und für den Händler dabei keine Ausfallrisiken entständen. Zahlungsanbieter arbeiten an immer wieder neuen Systemen, um das zu erreichen. Bis diese voll akzeptiert und umgesetzt sind, wird es im Handel immer wieder zu Zahlungsausfällen kommen

Ein funktionierendes Forderungsmanagement sollte Folgendes leisten:

  • Zahlungsstörungen schnell erkennen und den Kunden sperren;
  • zeitnah und regelmäßig die ausgebliebene Zahlung beim Kunden mahnen;
  • einen guten Kundenservice zur Klärung von Rückfragen bieten;
  • nach erfolgloser Klärung mit dem Kunden konsequent sein.

Dazu sollten Rechnungswesen und Verkauf eng zusammenarbeiten. Das betrifft vor allem den Datenfluss zwischen unterschiedlichen Systemen und Abteilungen (Accounting / ERP, CRM). Das ist sowohl bei der schnellen Klärung (Customer-Satisfaction) als auch beim zeitnahen Mahnlauf (Performance) und letztlich auch bei der Ausfallvermeidung (Fraud-Prevention) von entscheidender Bedeutung. Diese im „nachlaufenden Payment-Prozess“ zu schaffende Vernetzung und Performance wird gerade bei schnellem Umsatzwachstum oft hintenangestellt. Eine frühzeitige Einrichtung der technischen Prozesse und Nutzung digitaler Kommunikationsmittel spart jedoch deutlich Kosten und verbessert nachhaltig die Kundenqualität des Unternehmens.

Integriertes Forderungsmanagement verbessert Kundenerhalt und Kundenqualität

Zahlungsstörungen haben vielfältige Gründe bei den Kunden. Diese gehen von einer falschen Einschätzung der verfügbaren Mittel über Nachlässigkeit bei der Zahlungsabwicklung bis zum vorsätzlichen Kauf ohne Zahlungsabsicht.

Bleibt die kaufmännische Reaktion ohne einen Zahlungserfolg, muss die Forderung entweder ausgebucht werden oder sie wird an ein externes Inkasso übergeben. Hier gibt es mittlerweile dynamische, technologisch spannende Entwicklungen in der Branche. Inkasso bekommt damit eine neue Qualität und setzt sich vom bisherigen Image deutlich ab.

Digitalisierung der Inkassoprozesse und der Kommunikationswege

Ein modernes Inkasso geht auf den säumigen Kunden ein und nutzt dabei alle Möglichkeiten der Kommunikation. Ziel dabei ist es, dem Kunden zu helfen, seine Schulden zu begleichen. Dazu gehört das richtige Wording, die Ansprache auf den jeweils geeignetsten Kommunikationskanälen, schnelle und verständliche Aufklärung und einfache Lösungen für den Kunden.

Der postalische Brief hat sicher weiterhin etwas Solides und Seriöses. Auch hier wird auf sympathische Weise durch neue Gestaltung mehr Aufmerksamkeit erzeugt. Dieses Kommunikationsmittel ist aber nicht nur teuer, sondern erreicht die Kunden oft nicht mehr. Zunehmend konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf mobile Endgeräte. Ob Mail, SMS oder Messengerdienste, hier werden Informationen direkt und sehr persönlich wahrgenommen. Dabei besteht der Vorteil, sofort reagieren zu können. Ob schriftlich, per Anruf oder mit einem Click auf eine Informationsseite mit Bezahlfunktionen.

Inkasso wird durch die digitale Kommunikation schneller, interaktiver und persönlicher

All das ist nur mittels der Digitalisierung mit einem hohen Grad an Automatisierung und mit intelligenten, selbstlernenden Prozessen möglich. Das heißt aber nicht, dass es zukünftig nur noch Maschinen gibt, die das Inkasso machen. Es wird vielmehr einer neuen Spezies von Inkassospezialisten bedürfen, die den Einsatz der Technik beherrschen und gleichzeitig das richtige Fingerspitzengefühl im Umgang mit Menschen in der mündlichen oder schriftlichen One2one-Kommunikation haben. Nicht zuletzt geht es hier auch um eine juristische Thematik, die mit Fachwissen fallbezogen beurteilt werden muss.

Forderungsmanagement und Inkasso dienen der kaufmännischen Sorgfalt zur Ausfallreduzierung

Eine wichtige Aufgabe des Inkassodienstleisters gegenüber dem Händler sollte es sein, Ausfälle nachhaltig zu minimieren und Kunden zu erhalten. Mit einer qualifizierten Rückmeldung an den Händler kann dieser seine Vorsysteme verbessern und Kunden aus Sicherheitsgründen gesperrt lassen oder wieder aktivieren und als einmal gewonnene Kunden erhalten. //

Autorenvita: Klaus Kuhlmann

 

 

 

 

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Handelskanal Social Media

Das ECC Köln hat Social-Media-Maßnahmen für kleinere Händler untersucht und herausgefunden, dass diese sehr gut funktionieren können.

von Bernhard Haselbauer

Aufgrund neuer Technologien und steigender Kundenanforderungen wird es für den Handel zunehmend schwieriger, neue Services zu schaffen, die den Konsumenten im Rahmen ihres Informations- und Einkaufsprozesses einen echten Mehrwert bieten. In diesem Kontext sind nachhaltige Strategien und Konzepte gefragt. Nach dem e-KIX vom November 2017 setzten gerade kleine und mittlere Onlinehändler im Marketingmix auf eine Präsenz und Werbung in sozialen Netzwerken. So zeigt der aktuelle e-KIX, für den das ECC Köln monatlich vorwiegend kleinere Onlinehändler zur Umsatzlage sowie zu wechselnden E-Commerce-Themen befragt: Social Media kommen bei mehr als jedem zweiten kleineren Onlinehändler zu Werbezwecken zum Einsatz. Damit werden die sozialen Netzwerke als Werbemaßnahme nur noch vom Suchmaschinenmarketing (68 %) übertroffen.
Bei den Befragten, die Werbeanzeigen in sozialen Netzwerken schalten, ist Facebook mit Abstand am beliebtesten: Mehr als neun von zehn dieser e-KIX-Teilnehmer platzieren dort kostenpflichtige Werbung. Auf Platz zwei und drei folgen das Bildportal Instagram (13 %) sowie YouTube (11 %).

Auf welchen Socia-Media-Kanälen haben Sie ein Unternehmensprofil?

Facebook auch für Unternehmensprofile am beliebtesten

Auch für Social-Media-Profile ist Facebook bei den Befragten Spitzenreiter, wie schon die e-KIX-Umfrage im vergangenen Jahr zeigte: Heute haben rund 85 Prozent der kleineren Onlinehändler ein Profil auf der Plattform. Instagram schafft es ebenfalls unter die Top 3: Rund ein Viertel der e-KIX-Teilnehmer ist hier präsent.
„Social Media werden auch für kleine und mittlere Onlinehändler wichtiger – schließlich sind die Nutzerzahlen von Facebook und Co. immens und es bietet sich die Chance, auch neue Kunden zu erreichen. Dabei sollte jedes Unternehmen aber genau prüfen, auf welcher Plattform die eigene Zielgruppe anzutreffen ist und welche sich gut eignet, um die eigenen Angebote zu präsentieren“, so Oliver Brimmers, Senior Projektmanager am ECC Köln.

Der E-Commerce-Konjunkturindex – kurz e-KIX – des ECC Köln ist ein Stimmungsbarometer im deutschen Onlinehandel. In den kurzen monatlichen Onlinebefragungen werden deutsche Onlinehändler gefragt: Wie sind die aktuellen Onlineumsätze? Welche Entwicklungen werden erwartet? In monatlich wechselnden Zusatzfragen werden zudem aktuelle Themen im E-Commerce beleuchtet. Die vollständigen Ergebnisse können unter www.e-kix.de heruntergeladen werden. Dort ist außerdem die Registrierung als e-KIX-Teilnehmer möglich.
Social Media können hervorragend für den Handel funktionieren, gerade für selbststän­dige, kleinere Händler. Nicht nur um zielgruppengerecht Kundenbindung aufzubauen und zu erhalten, auch um direkt zu verkaufen.

Welche der folgenden Online- und Offline-Werbemaßnahmen setzen Sie ein?

Social ECM

Immer häufiger findet Wissenstransfer über Unternehmensgrenzen hinweg statt: Wissens­transfer bedeutet dabei, dass Wissen in zwei Richtungen transferiert wird, nicht einfach von einer „wissenden“ zu einer „unwissenden“ Instanz. Auch die Art des Wissens hat sich verändert: Waren es früher in erster Linie Textdokumente, so sind es heute neben Textdokumenten auch Videos, Bilder, Eindrücke oder Erfahrungen.
Hierbei werden soziale Netzwerke immer wichtiger für die Unternehmen. Hier muss die strukturierte und digitalisierte Archivierung und Bearbeitung von Daten und Informationen aller Art über die Grenzen eines Unternehmens hinweg gewährleistet sein, was hohe Anforderungen etwa an Cloud-Betreiber stellt. Wichtige Elemente für Social ECM sind auch eine flexible Oberflächengestaltung, die Möglichkeit, Ansichten auf Daten zu teilen, zu „liken“ und zu kommentieren, und eine Crowdbewertung vorzunehmen. Allerdings sehen Experten wie Professor Ayelt Komus von der Hochschule Koblenz Social Media im Business-Kontext noch immer in den Anfängen.

Chatbots und „IT Robotic Process Automation“ (RPA)

Chatbots, sogenannte „virtuelle Assistenten“, werden eingesetzt, um eine kostengünstige, weil weitgehend automatisierte Kontaktmöglichkeit zwischen Unternehmen und Kunden zu schaffen. In der Vergangenheit wurde die Verwendung von Chatbots kritisiert – sie führten weder zu einer positiven „Customer-Experience“ noch verhinderten sie Rückfragen von Kunden. Außerdem müssten sie teuer manuell programmiert werden. (So gesehen schien das von Analysten erwartete Automatisierungspotenzial zwischen 25 und 70 Prozent allzu optimistisch.)
Das galt für die erste Generation der Chat­bots. Chatbots der nächsten Generation müssen nicht mehr manuell „gefüttert“ werden; sie beziehen ihr Wissen aus dem Expertenwissen des Unternehmens und lernen laufend hinzu. Der Einsatz dieser „intelligenten“ Chatbots wird voraussichtlich die Kosten in den Unternehmen massiv senken. //

 

 

 

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