VR- und AR-Technologien im Handel mit Zukunft

Die Redaktion im Gespräch mit Christian Feilmeier, Geschäftsführer bei The Retail Performance Company, und Peter Milotzki, VR-, AR- und Robotics-Experte bei The Retail Performance Company.

Peter Milotzki, VR-, AR- und Robotics-Experte bei The Retail Performance Company

Herr Milotzki welche Technologien stehen im Bereich Schulungs- und Trainingsanwendungen für den Handel heute bereit?
Aktuell verwenden wir für unsere Trainings vor allem die VR-Brillen Samsung Gear und die Microsoft HoloLens. Auch mit der Virtual-Reality HTC VIVE haben wir gute Erfahrung gemacht und sie bei dem ersten weltweiten virtuellen Produkttraining für BMW China eingesetzt. Die 6 000 Teilnehmer des Trainings, Verkäufer, Serviceberater und Product-Geniuses, konnten die neue Hinterachse der BMW 5er-Limousine hautnah erleben, ohne dass das Fahrzeug auf eine Hebebühne gehoben werden musste. In einem virtuellen Trainingsraum erklärten wir Produktdetails und Funktionen der Bauteilkomponenten. Für die Teilnehmer war es mit dieser Trainingsmethode viel einfacher, die komplexe Technik zu betrachten und vor allem zu verstehen.

Welche Vorteile bringt die VR- und AR-Technologie, um das Produkttraining für den Vertriebler der Zukunft zu optimieren?
Peter Milotzki: Ein Vorteil ist die Zeitersparnis. Als durchführender Trainer spart man in der Trainingseinheit rund 30 Prozent an Zeit, wenn AR- oder VR-Technologien eingesetzt werden, da die Inhalte klarer und strukturierter vorgestellt werden können als auf klassischen Powerpoint-Folien. Auch ist der Lernerfolg deutlich größer, weil sich die Teilnehmer an die Inhalte des Trainings leichter erinnern und die Verbindung zu den Themenfeldern schneller erfassen. Zudem hält die Aufmerksamkeit wesentlich länger als bei Teilnehmern, die ihren Inhalt nur in einem Selbststudium oder als „Frontalunterricht“ vermittelt bekommen. Sie können den Inhalt innerhalb der AR- und VR-Welt selbst entdecken und setzen sich spielerisch mit den Trainingsinhalten auseinander.

Inwieweit werden funktionierende VR- und AR-Anwendungen von den Mitarbeitern angenommen und als sinnvoll erachtet?
Peter Milotzki: Wir beobachten, dass weniger die neuen Technologien an sich in Frage gestellt werden, eher scheint die Angst vor Veränderung für die Mitarbeiter im Vordergrund zu stehen. Denn sie müssen gewohnte Arbeitsabläufe anpassen und sich mit der Anwendung der neuen Technologien auseinandersetzen. Entscheidend ist, dass sich Unternehmen darüber klar werden, wie die Technologie wirklichen Wert stiften soll und welche konkreten Use-Cases formuliert werden können, sonst ist der Einsatz und die interne Akzeptanz zum Scheitern verurteilt. Unsere Erfahrung zeigt, dass aber genau hier viel falsch gemacht wird: Nutzt ein Unternehmen AR- und VR-Technologien nur zum Ausprobieren oder als Türöffner, verkommt die Technik zum reinen Showeffekt, der keinen nachhaltigen Wert generiert und deswegen von den Mitarbeitern nicht angenommen wird.

 

Christian Feilmeier, Geschäftsführer bei The Retail Performance Company

Herr Feilmeier, wo sehen Sie für den Handel noch weitere innovative Einsatzmöglichkeiten für VR- und AR-Anwendungen?
Die Technologien helfen, neben der Schaffung von neuen Produkterlebnissen, Hemmnisse abzubauen und Berührungsängste zu minimieren – sowohl auf Kunden- als auch auf Mitarbeiterseite. Gerade für erklärungsbedürftige und emotionale Produkte und Services bieten sie ein enormes Veränderungspotenzial, um Kunden komplexe Themen näherzubringen. So können Zusatzinformationen zu Produkten und Services angezeigt und visualisiert werden. Auf großen Verkaufsflächen werden bereits jetzt erste virtuelle Anwendungen eingesetzt, um Kunden durch das Geschäft zu lotsen und sie gezielt Angebote finden zu lassen. Darüber hinaus können Produkte schon präsentiert werden, bevor sie verfügbar sind.

Wie kann der stationäre Handel von VR- und AR-Technologien profitieren?
Christian Feilmeier: Der Einsatz von virtuellen Technologien im stationären Handel führt zu deutlich mehr Personalisierung und bietet neuartige Erlebniswelten. Mit dem eigenen Smartphone oder mit im Laden zur Verfügung gestellten Geräten haben Kunden die Möglichkeit, das komplette Warenangebot auszuwählen, zu konfigurieren und zu erleben. Weitere Vorteile sind die deutliche Senkung von Lagerkosten und die Kapitalbindung. Durch die Kombination digitaler Inhalte mit persönlicher Beratung entsteht noch dazu ein deutlicher Mehrwert gegenüber dem reinen Online-Handel.

Inwieweit spielen Robotics-Technologien bzw. Künstliche Intelligenz für die Customer-Journey eine Rolle – wie werden diese umgesetzt und von Kunden angenommen?
Christian Feilmeier Hier gibt es keine einheitliche Situation, aber wir erkennen den Trend zu einer zunehmenden Akzeptanz von KI-Technologien. Die Kundenreaktionen hängen stark von der konkreten, eingesetzten Lösung ab: Plumpe Roboter schaffen kein positives Erlebnis, menschliche Kopien rufen hingegen Ängste hervor. Der Kunde entscheidet letztendlich selbst, wie seine Customer-Journey verlaufen soll und welchen Mehrwert er in KI-Anwendungen sieht. Wichtig ist dem Kunden, dass man ihn (er-)kennt, dass man über seine bisherigen Transaktionen sowie seine Präferenzen Bescheid weiß. In einer Omnikanal-Welt geht dies nur auf Basis von Daten, die – zunehmend unterstützt durch KI – kanalübergreifend an allen relevanten Touchpoints zur Verfügung stehen müssen. Künstliche Intelligenz erweitert somit das Spektrum und das Zusammenspiel der Touchpoints. Die Herausforderung für Unternehmen liegt darin, die Touchpoints kundenzentriert zu entwickeln und richtig zu managen.

Gibt es schon Erfahrungswerte, inwieweit sich VR- und AR-Anwendungen auf den Absatz von Produkten im Positiven auswirken?
Christian Feilmeier: Wir kennen noch keine Studie, die die positive Wirkung von VR und AR auf den Absatz nachweist. Aber die Nachfrage des Handels nach diesen Lösungen steigt zunehmend. Die Attraktivität der Unternehmen nimmt zu, wenn innovative Technologien eingesetzt werden. Da leistet die spielerische Komponente einen enormen Beitrag, da sich Kunden in einer virtuellen Welt mit Produkten und Services auseinandersetzen können. AR und VR machen es möglich, dass Marken auf unkonventionelle Weise und an ungewohnten Orten optisch präsent sind und mit den Kunden interagieren. Das ist neu und macht den Menschen Spaß. So werden Emotionen geweckt, die Kunden stärker an die Marken binden – ein großes Potenzial für Unternehmen.

Welche Bedeutung haben VR-, AR- und Robotics-Anwendungen für die Customer-Journey der Zukunft?
Christian Feilmeier: Wir denken, dass sich die Customer-Journey innerhalb der nächsten fünf Jahre stark verändern wird. Sie ist kein linearer Prozess mehr, sondern entwickelt sich zu einer nicht vorhersehbaren Kundenreise mit Sprüngen zwischen den Vertriebskanälen. Auf der Gewinnerseite werden Unternehmen sein, die dem Kunden seine präferierte Reise bieten können.
Peter Milotzki: VR-, AR- und Robotics-Anwendungen erlauben dem Handel, bestehende Touchpoints zu optimieren und weitere, attraktive Touchpoints anzubieten. So können Unternehmen ihren Kunden ein vielfältiges Angebot bieten, um Kundenerwartungen nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Das ist eine große Chance für alle Unternehmen, mit der neue Zielgruppen und Märkte gewonnen werden können. //

 

 

Autorenvitae: Christian Fellmeier & Peter Milotzki

 

 

 

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3-D-Druck transformiert die Wertschöpfungskette

Im Rahmen von Industrie 4.0 entstehen intelligente und vernetzte Fertigungsprozes­se, die Arbeitsabläufe optimieren.

von Tobias Fischer

Die industrielle Fertigung steht kontinuierlich vor neuen Herausforderungen. Innovative Produkte kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt, Kunden bevorzugen maßgeschneiderte Produkte und erwarten kurze Produktionszeiten, um ihren Bedarf möglichst schnell zu decken. Im Rahmen von Industrie 4.0 entstehen deswegen intelligente und vernetzte Fertigungsprozesse, die Arbeitsabläufe effizienter, schneller und flexibler machen. 3-D-Druck ist dabei eine der Schlüsseltechnologien, die die Wertschöpfungskette der Zukunft nachhaltig verändern werden.

Der 3-D-Druck bzw. die additive Fertigung ermöglicht enorme Einsparungen über die gesamte Lieferkette hinweg. Mit den neuen digitalen Produktionsansätzen wird eine digitale Lieferkette geschaffen – es entstehen vernetzte Workflows vom Einkauf bis zum Vertrieb. Dazu ist jedoch eine noch engere Zusammenarbeit von Einkauf, Entwicklung und Produktion notwendig. Denn ob sich ein Unternehmen auf dem Markt behaupten kann, hängt auch davon ab, wie gut es gelingt, das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt und Preis auf den Markt zu bringen. Der Wettbewerbsdruck steigt und nur Unternehmen, die Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sind, können Erfolge verzeichnen.

On-Demand-Fertigung auf dem Vormarsch

Der 3-D-Druck nimmt sich dieser neuen Herausforderungen an und ermöglicht mit der On-Demand-Fertigung eine schnelle und individualisierte Herstellung, bei der die Zustellung exakt nach Kundenbedarf erfolgt. Die neuen Technologien des 3-D-Drucks werden dort eingesetzt, wo traditionelle Fertigungsmethoden an ihre Grenzen kommen. Dies zeigt sich besonders bei der Produktion von Teilen mit unterschiedlichen Eigenschaften oder besonderer Komplexität. Komplexe sowie weniger komplexe Produkte können mithilfe moderner Fertigungsprozesse in der gleichen Zeit hergestellt werden. Herkömmliche Produktionsverfahren sind auf Werkzeuge angewiesen – nicht so die additive Fertigung, die werkzeuglos erfolgt. Außerdem entfallen die Kosten für die Umstellung von Produktionsanlagen. Sobald eine neue Modell-Datei im System ist, ist die Anlage sofort bereit, ein Produkt herzustellen. Und das bereits ab Losgröße 1. Die On-Demand-Fertigung mit 3-D-Druck, CNC-Bearbeitung und Spritzgusstechnologien wird der Lieferkette in Zukunft enorm viel Flexibilität in den Bereichen Produktion und Lieferung ermöglichen.

 

Der Metall-3-D-Druck ist eine der Fertigungstechnologien von Protolabs

Predictive Maintenance als Schlüsselbegriff

In der Wertschöpfungskette der Zukunft ist es möglich, Ersatzteile direkt aus den inventarisierten CAD-Daten von Fahrzeugen, Maschinen und Anlagen zu produzieren, bevor ein Ausfall eintritt. Predictive Maintenance ist hier der Schlüsselbegriff. So kann die additive Fertigung künftig auch als direkter Ersatzteillieferant in einem bestimmten Einsatzgebiet, z. B. in Transportfahrzeugen, gesehen werden. Anstatt in einem umfangreichen und kostenintensiven Ersatzteillager werden Teile sozusagen „on board“ gefertigt. Dieser Einsatz wird auch in Zukunft noch stärker an Bedeutung gewinnen.

Beispielsweise ist es im Bereich der Luftfahrt bereits möglich, dass Sensoren im Flugzeug Problemfälle sogar auf 10 000 Meter Höhe entdecken und diese direkt dem Fertigungsunternehmen melden. Dieses kann anschließend Teile produzieren, während sich das Flugzeug noch in der Luft befindet. Nach der Landung stehen die Ersatzteile schon zur Verfügung und können eingebaut werden. Ausfallzeiten werden dadurch enorm reduziert.
Die Verfahren werden stetig optimiert, sodass auch die Serienproduktion von individuellen Teilen immer üblicher wird. Hier schließt sich der Kreis mit den Anlagen- und Maschinenbauern, deren Anlagen auch immer schneller und effizienter arbeiten und die Basis für die fortschreitende On-Demand-Fertigung bilden.

 

Kernaussagen
3-D-Druck verändert die Wertschöpfungskette
der Zukunft, indem eine digitale Lieferkette mit vernetzten
Workflows vom Einkauf bis zum Vertrieb geschaffen wird. Die Grundlage dafür ist eine noch intensivere Kooperation
von Einkauf, Entwicklung und Produktion.
Durch eine On-Demand-Fertigung können Teile individuell und schnell nach Kundenbedarf gefertigt werden.
So reduzieren sich die Lagerhaltungskosten drastisch, da große Mengen vonTeilen nicht mehr kostenintensiv gelagert
werden müssen.
Die Herausforderung liegt in der Umsetzung – vom derzeitigen Istzustand hin zu einer Wertschöpfungskette, die durch digitale Fertigung und einen hohen
Automatisierungsgrad geprägt ist.

 

Vorteile der Fertigung auf Abruf

Durch eine On-Demand-Fertigung können Unternehmen ihre Lagerhaltungskosten drastisch reduzieren, denn Produkte und Ersatzteile können nach Bedarf gefertigt und müssen nicht in großen Mengen kostenintensiv gelagert werden. Auch die Lieferantenkette verkürzt sich enorm, da die Produkte direkt vom Lieferanten – dem 3-D-Druck-Unternehmen – geliefert werden. Ein Second Tier kann damit zum First Tier werden und das benötigte Teil direkt und ohne lange Wartezeiten liefern.

Dazu ist es jedoch erforderlich, dass die Bereiche Einkauf und Logistik in Zukunft in Echtzeit reagieren und alle notwendigen Informationen zum angefragten Zeitpunkt bereitstellen können. Um das zu ermöglichen, müssen Prozesse weitestgehend digitalisiert werden, um präzise Aussagen zu treffen. Das Hauptziel einer On-Demand-Fertigung ist die Optimierung des Endergebnisses – von der Verbesserung der Prototypen- und Teilefertigung bis hin zu Kosteneinsparungen.

Umsetzung in den Unternehmen

Über alle Unternehmensgrößen und -bereiche hinweg findet bereits eine Anerkennung des 3-D-Drucks und der Fertigung auf Abruf statt. Protolabs hat in einer Studie herausgefunden, dass 74 % der führenden Entscheidungsträger in Fertigungsunternehmen von einer erheblichen bis starken Ausweitung von automatisierten Fertigungsprozessen in den kommenden fünf Jahren überzeugt sind. 13 % gehen sogar von einer vollständigen Automatisierung aus. Die Studie zeigt auch, dass bereits 38 % der in Deutschland Befragten die Fertigung mit Begriffen wie „Industrie 4.0“ und weitere 34 % mit „Roboter & automatisierten Prozessen“ assoziieren. 65 % sehen die Fertigungsindustrie in Deutschland als gut vorbereitet für Industrie 4.0 und den Anstieg von digitalen Prozessen.

Auch die additive Fertigung ist Teil dieser digitalen Prozesse – und immer mehr Unternehmen erkennen die Vorteile der neuen Technologien. Dies ist am stetig anhaltenden Wachstum der führenden Unternehmen im 3-D-Druck, aber auch an der Investitionsfreude in diesem Bereich erkennbar. Dies belegen auch die aktuellen Umsatzzahlen von Protolabs: Für das Jahr 2017 meldete das Unternehmen einen Umsatz von 344,5 Mio. Dollar gegenüber 298,1 Mio. Dollar im Vorjahr – ein Plus von 15,6 %. Das vierte Quartal 2017 erzielte sogar den bisher höchsten Firmenumsatz von 94,2 Mio. Dollar, eine Steigerung um 30,2 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Insgesamt wurden 16 985 Anfragen von Produktentwicklern und Ingenieuren bearbeitet, ein Plus von 20,9 % gegenüber Q4 in 2016.

Die Nachfrage ist zwar gegeben, doch die Herausforderung für die Unternehmen wird in Zukunft die Umsetzung sein – vom derzeitigen Istzustand hin zu einer Zukunft, die durch digitale Fertigung und einen hohen Automatisierungsgrad geprägt ist. Mittlerweile ist sich bereits der Großteil der Unternehmen darüber im Klaren, dass ein Bewusstsein und eine Offenheit für umfassende Veränderungen und technologische Trends geschaffen werden muss. Die Unternehmen, die die neuen digitalen Technologien in den Bereichen Produktion, Logistik und Vertrieb schon einsetzen, konnten bereits erste Effizienzgewinne generieren, die sich noch steigern werden. Und auch viele weitere Unternehmen werden in Zukunft verstärkt auf digitalisierte Wertschöpfungsprozesse setzen, um auf dem Markt erfolgreich zu bleiben. //

 

Autorenvita: Tobias Fischer

 

 

 

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Künstliche Intelligenz

Selbstlernende Maschinen nutzen Big Data und Cloud-Computing, um laufend die abhängigen Prozesse zu optimieren.

von Andreas Fuhrich

Eine eindeutige Definition des Begriffs „Künstliche Intelligenz“ (KI) sucht man zwar vergebens, aber zumindest für den aktuellen, die Wirtschaft betreffenden Diskurs lässt er sich relativ klar skizzieren. Im Wesentlichen lässt er sich dabei in die Bereiche des maschinellen Lernens und des Cognitive Computings aufteilen:

Unter maschinellem Lernen versteht man die Fähigkeit eines künstlichen Systems, aus Erfahrung Wissen zu generieren. Dabei werden nicht nur Beispiele auswendig gelernt, sondern Muster und Gesetzmäßigkeiten erkannt, wodurch es in die Lage versetzt wird, auch unbekannte Daten beurteilen zu können. Kognitive Systeme gehen bei der Humanisierung der Maschine noch einen Schritt weiter. Neben der Fähigkeit des Lernens sind sie auch in der Lage, mit Ambiguitäten und Unschärfen umzugehen. Wichtige Voraussetzungen für eine KI beim „natürlichen“ Umgang mit menschlicher Sprache oder dem Deuten von Emotionen aus einer Gesichtsmimik.

Durch die Entwicklung der Informationstechnologie sind immer größere Datenmengen (Big Data) verfügbar. Diese enthalten oft implizites Wissen, das, wenn es bekannt wäre, große wirtschaftliche oder wissenschaftliche Bedeutung hätte. Unter Data-Mining versteht man die Suche nach potenziell nützlichem Wissen in großen Datenmengen – maschinelle Lernverfahren gehören zu den Schlüsseltechnologien innerhalb dieses Gebiets. Sie unterstützen den Data-Mining-Prozess vor allem beim Aufspüren neuer Muster und Gesetzmäßigkeiten. Andererseits unterstützt der Data-Mining-Prozess aber auch das maschinelle Lernen, indem dadurch neue Lerndaten zur Verfügung gestellt werden.
Zusätzlich profitiert das maschinelle Lernen von den Entwicklungen der Cloud-Technologie, denn flexible Rechenkapazitäten und Managed Services machen den Einsatz von Machine-Learning einfacher. Die großen Cloud-Anbieter wie Amazon, Google und Microsoft bieten Machine-Learning bereits als Schnittstelle (API) an. Durch Open-Source-Projekte wie Prediction.io oder TensorFlow steht zudem Technologie frei zur Verfügung, auf der man aufsetzen kann.

Nach aktuellen Prognosen von Crisp Research werden sich die Ausgaben für Infrastruktur, Software und Plattformen, Algorithmen-Design und verbundene Dienstleistungen von rund 1,96 Mrd. Euro in 2015 auf rund 15 Mrd. Euro im Jahr 2020 nahezu verzehnfachen.(1)
Einsatzmöglichkeiten für künstliche Intelligenz entstehen dabei für nahezu alle Branchen, weshalb sich CIOs und Digitalisierungsverantwortliche darauf gefasst machen sollten, dass nicht nur unternehmensintern diese Art von Skills nachgefragt werden. Die Anzahl an Machine-Learning-Spezialisten ist begrenzt und die Schnittmenge derjenigen, die auch noch Business-Verständnis mitbringen, umso kleiner. Für Unternehmen ist es daher umso wichtiger, sich rechtzeitig um Experten für den eigenen Betrieb zu bemühen, z. B. durch Kooperationen mit Universitäten, um unmittelbar die Nachwuchskräfte zu binden, die auf dem freien Arbeitsmarkt kaum zur Verfügung stehen werden.

Künstliche Intelligenz: Trends

Digitale Assistenten
Bei digitalen Assistenten mit Spracherkennung hat es in den letzten Jahren ein wahres Wettrüsten gegeben. Siri, Cortana und OK Google stritten um das beste System und mit Alexa von Amazon ist jetzt auch noch ein neuer Player auf den Markt gekommen. In Zukunft werden solche digitalen Assistenten für Geschäftsprozesse immer wichtiger werden. Typische Sekretärs-Aufgaben, wie das Anlegen von Terminen oder das Buchen von Geschäftsreisen werden immer häufiger durch solche Systeme vorgenommen.

Smart Cars
Smart Cars bieten jetzt schon einige auf künstlicher Intelligenz beruhende Möglichkeiten. Bremsassistenten sind in der Lage, auf plötzliche Hindernisse oder Stauenden zu reagieren. Tempomaten erkennen Verkehrsschilder und regeln die Geschwindigkeit selbstständig. Auch das voll automatische Einparken ist keine Zukunftsmusik mehr. Fleißig geforscht wird noch am komplett autonom fahrenden Auto, welches schon in naher Zukunft Marktreife erlangen dürfte.

Smart Farming
Unter Smart Farming versteht man verschiedene, teils zusammenarbeitende intelligente Systeme in der Landwirtschaft. Sowohl Daten von Wetterdiensten als auch die eigener Sensoren, die beispielsweise den Säuregehalt im Boden messen, nutzen intelligente Systeme, um Dünger optimal zu dosieren oder die Felder durch automatische Anlagen zu sprenkeln. Selbst Landmaschinen können basierend auf den analysierten Daten zu den richtigen Zeiten autonom die Felder bewirtschaften.

Cobots
Unter Cobots versteht man autonom operierende Roboter, die in unmittelbarer Umgebung des Menschen eingesetzt werden können. Dabei dienen sie beispielsweise in der Montage als Assistenten, in dem sie selbstständig erkennen, welche Teile oder Werkzeuge der Monteur für seinen nächsten Schritt benötigt, diese herbeischaffen und dem Monteur anreichen. Cobots sind ein wichtiger Bestandteil von Industrie-4.0-Konzepten, welche ohne künstliche Intelligenz nicht denkbar sind.

Empathie
Um optimal mit Menschen interagieren zu können, werden kognitive Systeme in Zukunft immer besser in der Lage sein, auch auf das emotionale Befinden des Gegenübers reagieren zu können. Der Teilbereich des Affective Computings beschäftigt sich mit der Simulation von Empathie. Hierzu können beispielsweise die Gesichtsmimik, aber auch die Wortwahl und Stimmfärbung des menschlichen Gegenübers analysiert werden. Empathische Systeme werden beispielsweise in Pflege- oder pädagogischen Einrichtungen eingesetzt.

Geschäftsmodelle im Fokus

Chatbots für den Support
Auf Cognitive Computing beruhende Chatbots sind in der Lage, einen menschlichen Gesprächspartner zu simulieren. Die virtuellen Assistenten können einfache Kundenanfragen beantworten, Informationen zum Angebot des Unternehmens liefern oder sogar Bestellungen entgegennehmen. Dabei lassen sich die Chatbots nicht nur auf der eigenen Homepage oder in der eigenen App betreiben, sondern auch in Messenger-Dienste wie WhatsApp oder soziale Netzwerke einbinden. Durch Chatbots kann die Kundenbindung verbessert werden, da diese beispielsweise im Support unmittelbar Fragen beantworten können. Ein Geschäftsmodell könnte in Zukunft darin bestehen, Kunden solche Chat­bots als Service zur Verfügung zu stellen. Eine Abrechnung könnte dabei nach tatsächlich erfolgten Anfragen erstellt werden.

Kognitive Beratung
Sogenannte Robo-Advisors sind schon seit einigen Jahren ein disruptives Geschäftsmodell in der Finanzbranche. In der Regel wird dabei ein Portfolio für den Kunden erstellt und in gewissen Intervallen ein automatisches Rebalancing durchgeführt. Bisher funktioniert das Rebalancing auf einem einfachen statischen Algorithmus, aber in Zukunft könnten dabei selbstlernende Systeme zum Einsatz kommen. Kognitive Systeme könnten dabei nicht nur den Algorithmus stetig verbessern, sondern zudem noch richtige Beratungsgespräche führen. Das Führen von Beratungsgesprächen lässt sich auch auf andere Dienstleistungen übertragen, sodass wir in Zukunft nicht nur das Geschäftsfeld des Kognitiven Finanzberaters haben dürften, sondern auch des Kognitiven Versicherungs-, Steuer- oder Rechtsberaters, selbst ein Kognitiver Universalberater könnte entstehen.

„Machine Learning as a Service“ (MLaaS)
Die großen Cloud-Anbieter bieten mittlerweile bereits MLaaS-Dienste an, ohne dass man sich selbst Kenntnisse von komplexen Machine-Learning-Algorithmen aneignen muss. Über eine einfache Oberfläche unterstützen die Anbieter einen bei der Erstellung eines zugeschnittenen Algorithmus. Dieser lässt sich dann durch einfache APIs mit den eigenen Anwendungen verbinden. Auf diese Weise lassen sich dann Milliarden von Prognosen nach einem skalierbaren Bedarf erstellen. Zusätzlich gibt es sogar die Möglichkeit einer automatischen Skalierung, die ebenfalls auf selbstlernenden Systemen aufbaut und wobei stetig der Bedarf des Kunden prognostiziert wird.

Taxi 2.0
Durch die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz werden Fahrzeuge in die Lage versetzt, völlig autonom zu fahren. Das autonom fahrende Auto, welches den Nutzer zu seinem Ziel chauffiert, steht kurz vor der Realisation, wodurch auch das Geschäftsmodell des völlig autonomen Taxibetriebs entstehen dürfte. Bezahlt werden könnte, wie dies bei Car-Sharing-Anbietern bereits jetzt schon der Fall ist, über ein Abomodell. Vielfahrer zahlen dabei eine höhere Grundgebühr, aber weniger Kilometergeld. Die Flotte des Anbieters nutzt dabei neben anderen verkehrsrelevanten Daten auch die eigenen Bewegungsprofile, um mittels selbstlernender Systeme die stets optimale Route hinsichtlich Geschwindigkeit oder Treibstoffverbrauch und Verschleiß zu ermitteln. Zusätzlich lassen sich die autonomen Autos auch als Kurierdienst nutzen, ohne dass ein menschlicher Kurier notwendig ist.

Content-Generatoren
Auf News-Portalen können kognitive Systeme dazu genutzt werden, Content zu generieren. Dazu können verschiedene Quellen in Bezug auf ihren Informationsgehalt untersucht und ein eigener Text erstellt werden. Auch Prognosen können die Systeme liefern und dafür bspw. auch Daten aus sozialen Netzwerken verwenden. Sportergebnisse, Wahlausgänge oder Aktienkurse könnten so kontinuierlich vorhergesagt und dem Leser in einfacher Textform angeboten werden. Selbst müsste man den Content der Seiten nicht mehr verwalten, sogar auf Kommentare könnten Chatbots reagieren. Geld erwirtschaftet man wie üblich durch Ads oder Premiuminhalte für Abo-Kunden. //

 

Autorenvita Andreas Fuhrich

 

(1) „Künstliche Intelligenz und echte Profite – Machine Learning auf dem Weg in den Mainstream“, von: Carlo Velten, 2016,
URL: https://www.crisp-research.com/kunstliche-intelligenzund-echte-profite-machine-learning-auf-dem-weg-den-mainstream/ (Abgerufen: 24.November 2016).
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Logistik: Nervensystem des Handels

Endkunde treibt Digitalisierung – und damit Veränderungen in den Wertschöpfungsketten

von Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer

Insgesamt 15 Trends beeinflussen Strategien und Praxis der Logistik, beispielsweise exogene Trends wie Kostendruck, Individualisierung und Komplexität und endogene Trends wie verbesserte Transparenz in Supply-Chains durch Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Wesentlicher Treiber beider Kategorien ist – das wundert die Händler nicht – der Endkunde, der sich in Industrie, Handel und Dienstleistung wettbewerbsentscheidend bemerkbar macht. Die Antwort auf viele Kunden­anforderungen ist wiederum die Digitalisierung.

Die digitale Transformation umfasst nicht nur im Handel unterschiedliche strategische Schwerpunkte: Unternehmenswandel, Weiterentwicklung von IT, Datennutzung, Förderung von Innovationen. Sie entwickelt sich so schnell, dass am Experimentieren und Nachjustieren kein Weg vorbeigeht. Mit der Digitalisierung treten neue Geschäftspartner mit anderen Unternehmenskulturen auf den Plan, die es produktiv zu integrieren gilt. Folglich sind alle Akteure aufgefordert, aktiv mitzuwirken, damit sich Unternehmen und Wirtschaftsstandorte im digitalen Wettbewerb erfolgreich positionieren können.

Von den 1 351 Studienteilnehmern der Trends- und Strategien-Studie der BVL aus dem Jahr 2017 schätzen drei Viertel die Chancen durch digitale Transformation für ihr Unternehmen als hoch ein. Mehr als die Hälfte der Unternehmen wartet jedoch ab, bis erprobte Lösungen vorliegen. Ein Drittel der Befragten sieht hohe Risiken durch Digitalisierung und begründet dies mit erforderlichen Sachinvestitionen, Qualifizierungsbedarf für neue Abläufe, der zeitlich anspruchsvollen Förderung von IT-Kompetenzen sowie der bislang fehlenden Kultur des Ausprobierens und Lernens. Doch der Mut zur Veränderung lohnt sich.

Kernaussagen
Um zum Erfolg zu führen, erfordert die digitale Transformation einen konsequenten, aktiv gestalteten Unternehmenswandel.
Dazu gehören die Weiterentwicklung von IT, Datennutzung, Förderung von Innovationen und die Schulung der Mitarbeiter.
Der Prozess hat eine hohe Dynamik. Am Experimentieren und Nachjustieren führt kein Weg vorbei. Gerade im Handel gibt der Kunde verstärkt den Takt vor. Nicht „Einkäufe erledigen“, sondern „Einkaufserlebnisse finden“. Reales und Digitales wird kombiniert. Um neue Einkaufserlebnisse wirtschaftlich anbieten zu können, sind digitale Tools unerlässliche Schlüssel zum Erfolg.

Digitale Technologien ermöglichen es, Kosten zu senken – beispielsweise durch intelligente Vorhersagen oder durch die operative Unterstützung der Mitarbeiter. Sie können aber auch zur Verbesserung der Kundenbeziehungen beitragen und neue Geschäftsfelder eröffnen. Diese Wirkungen einer digitalen Transformation werden von einer Mehrzahl der Handelsunternehmen (74,5 %) bestätigt.

Um erfolgreich digitalisieren zu können, wird zunächst eine Datenbasis benötigt, die über Unternehmensgrenzen hinaus auswertbar ist. Zur Erfassung, Speicherung und Übertragung von Daten existieren im Handel bereits umfassende Ansätze, denn die Objektverfolgung auf Produktebene ist dort essenziell. Über 60 Prozent der Unternehmen nutzen 2-D-Codes – und kaum RFID. Die Vision einer Supply-Chain, die sich mithilfe von RFID-markierten Produkten darstellen lässt, wird von der Praxis noch nicht getragen.

Der Einsatz von Sensoren an Behältern, Ladehilfs- und Transportmitteln wird attraktiver: Sie sind nützliche Datenquelle und Verfolger von Betriebszuständen zugleich und können Handlungen auslösen. Sensorik wird als mittel bis hoch relevant eingeschätzt – im Handel geringer als im verarbeitenden Gewerbe. Fast 40 Prozent der Handelsunternehmen planen keine Einführung von Sensorik, in der Pro­duktion nutzen sie mehr als die Hälfte intensiv.

Die Auswertung von gespeicherten Informationen über Kapazitäten, Aufträge oder Kunden wird im Handel seit Jahren betrieben, beispielsweise die elektronische Abwicklung von Aufträgen und die kennzahlengestützte Ableitung von Maßnahmen. Predictive Analytics und Predictive Maintenance ermöglichen Optimierungen in Geschäftsprozessen.

Die komplette Umstellung von IT-Systemen ist für Unternehmen oft schwer umsetzbar. Alt-Systeme müssen angebunden und Produktivsysteme ersetzt werden, denn die IT-Landschaft in den Unternehmen hat sich unterschiedlich entwickelt. Neue Serviceangebote wie „Anything as a Service“ (XaaS)-Ansätze können flexibel mitwachsen, verursachen geringere Investitionskosten und geben den Nutzern schneller Zugang zu neuen Applikationen. Bei den cloudbasierten IT-Services wurden die Bereiche Software (SaaS), Infrastruktur (IaaS) und Plattformen (PaaS) untersucht: Nur 20 Prozent nutzen diese Services heute und nur 10 Prozent planen den Einsatz innerhalb der nächsten fünf Jahre. BVL-Experten mahnen hingegen, dass cloudbasierte Infrastruktur unerlässlich sei, weil die Datenmengen und die Anforderungen an die Servicequalität weiter zunehmen werden.

Warehouse-Management-Systeme wurden von allen Experten als eines der relevantesten Technologiekonzepte identifiziert, fast 60 Prozent der Teilnehmer setzen solche Software umfassend ein. „Enterprise Resource Planning“ (ERP)-Systeme sind von sehr hoher Relevanz, obwohl deren Einsatz mit großem Aufwand verbunden ist. Unternehmen mit über 3 000 Mitarbeitern setzen diese Systeme zu weit über 80 Prozent ein, denn durchgängige und schnelle Verfügbarkeit von Daten der gesamten Supply-Chain sind essenziell.



Assistenzsysteme erleichtern und verbessern die Arbeit des Personals. Beim Warenumschlag oder im Lager ist deren Einsatz sinnvoll, um Fehler zu vermeiden, die Mehr- und Nacharbeiten nach sich ziehen. Außendienstmitarbeiter nutzen Anwendungen auf mobilen Endgeräten, etwa für Instandhaltung oder den Zugriff auf Unternehmensdaten und Kennzahlen. Bereits über die Hälfte der Studienteilnehmer haben den mobilen Datenzugriff für Mitarbeiter realisiert, nur ein Zehntel der Befragten hat bis jetzt keine Pläne hierzu.

Ein Datenzugriff über Wearables wie Smartwatches oder Activity-Tracker erhielt nur mäßige Bewertungen: 52 Prozent planen keine Nutzung in den nächsten fünf Jahren. Diese Aussage steht im Widerspruch zu einer Bitkom-Befragung, in der drei Viertel der Verantwortlichen aus Unternehmen mit eigener Logistik erwarten, dass Datenbrillen weit verbreitet sein werden. Zwei Drittel glauben sogar, dass selbstlernende Systeme viele Aufgaben in der Logistik übernehmen werden, etwa Routen-Planung oder das Auslösen von Bestellvorgängen. Wunsch und Wirklichkeit werden also weiterhin zu beobachten sein.

Ähnliche Ergebnisse sind auch bei Augmented-Reality (AR)-Lösungen zu beobachten. Auch hier bestätigen die BVL-Experten, dass das Aufzeichnen der realen Umgebung und die Überblendung mit zusätzlichen Informationen in Form von stationären Geräten oder als Smartphone-Apps für den Einzelhandel interessant werden können.

Die autonome Zustellung im öffentlichen Raum mithilfe kleiner landgebundener Roboter testen Unternehmen wie Hermes, MediaMarkt und die Schweizer Post mit Starship Technologies oder der Pizzalieferdienst Dominos mit Marathon Targets. Handel und Logistikdienstleister bewerten die Roboterunterstützung noch mit nur mittlerer Relevanz. Die Bitkom-Studie weist aus, dass autonome Drohnen Inventuren im Lager erledigen werden. 57 Prozent gehen sogar davon aus, dass die Waren mit autonomen Fahrzeugen transportiert werden. Das prognostiziert auch die BVL – für 2025 bis 2030. //

 

 

Autorenvita: Prof. Dr.-Ing. Thomas Wimmer

 

 

Bildquelle / Personenfoto:
©Kai Bublitz/BVL

 

 

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Internet of Things

Smart Things kommunizieren über das Internet der Dinge miteinander, wodurch neue Möglichkeiten automatischer Prozesse entstehen.

von Andreas Fuhrich

Statt selbst Gegenstand der menschlichen Aufmerksamkeit zu sein, soll das „Internet der Dinge“ den Menschen bei seinen Tätigkeiten unmerklich unterstützen. Dabei bezeichnet das Internet of Things (IoT) die Verknüpfung eindeutig identifizierbarer physischer Objekte mit einer virtuellen Repräsentation in einer internetähnlichen Struktur.

Die automatische Identifikation mittels RFID wird oft als Grundlage für das Internet der Dinge angesehen. Allerdings kann eine eindeutige Identifikation von Objekten auch mittels anderer Identifikationsverfahren, wie Strichcode oder 2-D-Code, erfolgen. Bauteile wie Sensoren und Aktoren erweitern die Funktionalität um die Erfassung von Zuständen bzw. die Ausführung von Aktionen.

Ziel des IoT ist die automatische Übertragung von Zustandsdaten realer Dinge in die virtuelle Welt, um dort weiterverarbeitet werden zu können. Solche Daten können beispielsweise Informationen über die aktuelle Nutzung, den Verbrauch, aber auch über besondere Umweltbedingungen am Ort des „Things“ sein. In einem IoT-Netzwerk kommunizieren auf diese Weise mehrere Dinge miteinander und sind in der Lage, sich gegenseitig Aufgaben zuzuweisen.

Wearables sind ein typisches Einsatzgebiet des IoT. Eine Smartwatch kann beispielsweise ihren Träger genau lokalisieren und diese Daten an die Heizung im Smart Home übermitteln. So kann sich diese automatisch ausschalten, falls das Haus verlassen wird, und sich einschalten, wenn man sich nähert.

In der Wirtschaft spielt das IoT vor allem im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 eine wichtige Rolle. Dabei soll, nach Plänen der Bundesregierung, eine weitestgehend selbst­organisierte Produktion möglich werden: Menschen, Maschinen, Anlagen und Produkte kommunizieren und kooperieren direkt miteinander. Durch die Vernetzung soll es möglich werden, nicht mehr nur einen Produktionsschritt, sondern eine ganze Wertschöpfungskette zu optimieren. Das Netz soll zudem alle Phasen des Lebenszyklus des Produktes einschließen – von der Idee eines Produkts über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling.

Durch die Aktionen, die auf Basis der Daten des eigenständigen Informationsaustauschs zwischen Produktionsmaschinen, Lagersystemen und Betriebsmitteln entstehen, ergeben sich diverse Vorteile: Produkte können effizienter hergestellt und die Produktqualität kann verbessert werden. Der Energieverbrauch kann optimiert werden, da die einzelnen Teilnehmer eines IoT-Netzwerks nur dann aktiv sind, wenn sie wirklich benötigt werden. Durch die Nutzung moderner Technologien wird der Arbeitsplatz auch für die Mitarbeiter attraktiver. Zudem können Produkte kundenindividueller hergestellt werden, wodurch die Kundenbindung verbessert wird.

Von entscheidender Bedeutung beim IoT ist das Thema Sicherheit. Schließlich können Hacker nicht nur Daten stehlen oder verändern, sondern auch die Steuerung der Dinge übernehmen. Das Gefahrenpotenzial etwa im E-Health-Bereich oder bei Steuerungssystemen eines Kraftwerks ist daher außerordentlich.

Zukunft des 3-D-Drucks und Industrie 4.0

Neue Supply-Chain: Wie verändert der 3-D-Druck die Lieferketten und was bedeutet das für den stationären Handel?

von Prof. Dr. Welf Wawers

Die schnell anwachsende Verwendung der additiven Fertigungsverfahren, auch als 3-D-Druck bezeichnet, revolutioniert die Fertigungstechnik von Grund auf und eröffnet der Konstruktionstechnik bislang ungeahnte Möglichkeiten. Mit der Qualifizierung immer neuer Materialien für den 3-D-Druck dringen die Verfahren auch in immer neue Produkte vor, seien diese aus Kunststoffen, Metallen oder sogar Proteinen aufgebaut. Und die Verfahren wachsen rasant, laut einer Studie von PwC Strategy& vom Januar 2018 wird das Marktvolumen für gedruckte Produkte bis 2030 auf 22,6 Milliarden Euro ansteigen und sich damit fast verzehnfachen.(1) Die damit einhergehenden tiefgreifenden Veränderungen der gesamten Wertschöpfungskette eines Produkts betreffen auch den Handel und den weltweiten Warenverkehr, also die globalen und lokalen Lieferketten.

Bis zu 10 000 Einzelteile sind in einem modernen Pkw verbaut. Etliche dieser Einzelteile werden bei einem Modellwechsel zwar in die nächste Generation mit übernommen, trotzdem gibt es einige Hundert oder sogar Tausende Teile, die nur noch für den After-Market produziert werden. Berücksichtigt man den allgemein immer kürzeren Produktlebenszyklus, der z. B. bei Fahrzeugen von im Schnitt acht Jahren in den 1970er-Jahren auf drei in den 1990er-Jahren gesunken ist, kumuliert sich hier ein enormer Aufwand für die Produktion, die Lagerhaltung und die Lieferung von Bauteilen, die im Laufe der Zeit immer seltener nachgefragt werden. Zur Verfügung halten muss der Hersteller diese Bauteile allerdings. So besagt in Deutschland beispielsweise die Rechtsprechung, dass Ersatzteile für einen Zeitraum von mind. zwölf Jahren nach Auslieferung des letzten Fahrzeugs einer Modellreihe bereitgestellt werden müssen. Aus Prestigegründen gehen die Hersteller aber selbst oft weit über die zwölf Jahre hinaus, man denke nur an den VW Käfer oder den Mercedes /8.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass eine der frühesten Anwendungen der 3-D-Drucktechnik für Fahrzeugteile im After-Market angesiedelt ist. Seit 2016 bietet die Daimler AG in ihrer Nutzfahrzeugsparte in 3-D-gedruckte Ersatzteile an. Zunächst in Kunststoff, ein erstes gedrucktes Aluminium-Bauteil ist im Lkw-Bereich bereits auch verfügbar.(2)
Auch der Volkswagen-Konzern setzt bereits an 26 verschiedenen Standorten 3-D-Drucker für die Ersatzteilherstellung ein. VW platziert dafür regionale Druckzentren, mit dem erklärten Ziel, die Logistik und Lagerhaltung zu vereinfachen.(3) Erreicht wird diese Vereinfachung in erster Linie mit der Überspringung von Supply-Chain-Prozessschritten, womit auch erhebliche Einsparungen beispielsweise bei den Transportkosten oder, gerade aktuell mit Blick auf die USA, bei Einfuhrzöllen einhergehen. Dieser Einfluss der 3-D-Drucktechnik auf die Supply-Chain wird auch zunehmend den Logistikdienstleistern bewusst. Im November 2016 veröffentlichte DHL einen Report zu dem Thema „3-D-Druck und die Zukunft der Lieferketten“.(4)

Mit Blick auf den Report glaubt Matthias Heutger, Senior Vice President bei DHL, dass „der 3D-Druck mittelfristig die größten Auswirkungen auf die Ersatzteillogistik und bei der Herstellung von kundenspezifischen Teilen haben wird.“(5) Die Überspringung von Supply-Chain-Prozessschritten wie beispielsweise dem globalen Gütertransport bedeutet einen Wegfall der Transportkostenumsätze. Trotzdem sieht Matthias Heutger der neuen Technologie positiv entgegen und meint, diese „könnte Logistik und Herstellung näher zusammenbringen als jemals zuvor.“

Ein Schritt in diese Richtung wären beispielsweise lokal beim Endkunden angesiedelte oder als „Pop-up-Store“ mehr oder weniger mobile, von den Logistikunternehmen geführte Mikrofabriken. Bestellt der Kunde ein Produkt oder ein Ersatzteil, erhält die nächstgelegene Mikrofabrik die CAD-Printdaten vom Hersteller (oder dem Lizenzrechtehalter). Das Bauteil wird endkundennah gedruckt und mit minimalen Transportkosten geliefert. Der nächste Schritt, im DHL-Report von 2016 als Zukunftsvision mit Verweis auf ein von Amazon beantragtes Patent beschrieben, geht noch weiter. Dabei könnten Lieferwagen mit 3-D-Druckern bestückt werden. Mit diesen dann vollkommen mobilen Mikrofabriken könnten die Produkte auf dem Weg zum oder vor Ort beim Kunden hergestellt werden. Die Vision rückt gerade in die Gegenwart, das Patent für einen innovativen On-Demand-3-D-Druck-Service für den Einzelhandel(6) wurde Amazon Anfang Januar 2018 erteilt. Es ist davon auszugehen, dass Amazon dieses Patent nun auch zeitnah umsetzen wird. Einige der großen Fragen im Zusammenhang mit dem Aufbau von Mikrofabriken, ob mobil oder nicht und ob in der Hand der Logistikunternehmen oder von örtlichen 3-D-Druckshops oder sogar von Privatpersonen für den eigenen Bedarf, sind die Produktverantwortung und die Haftung im Schadensfall.

 

Kernaussagen
Die Wirkung des 3-D-Drucks ist bis weit in die Gesellschaft hinein. Durch 3-D-Drucker für den Heimgebrauch sprechen Experten schon von der „Demokratisierung des Produktes“.
Im „Rapid Prototyping“ ist der 3-D-Druck bereits lange fest etabliert. Weitere Einsatzbereiche sind z. B. Werkzeugbau, Formenbau und Ersatzteilherstellung.
Die Produktion eines Konsumguts kann nun auch wieder in Hochlohnländern lohnenswert sein.

 

Zurückkommend auf das Eingangsbeispiel ist es durchaus fragwürdig, ob Konzerne wie die Daimler AG, die einen sehr hohen Aufwand bei der Qualitätskontrolle ihrer Produkte betreiben, bereit sind, diese als Original-Ersatzteile von quasi jedermann auf Druckern außerhalb der Konzernkontrolle ausdrucken zu lassen. Bei unsauber oder fehlerhaft ausgedruckten Bauteilen könnte dies einen Imageschaden für die Marke bzw. das Unternehmen bedeuten. Natürlich könnten derartig hergestellte Bauteile auch unter einem anderen Label als „Original“ auf den Markt gebracht werden.

Was aber, wenn der Kunde dann doch ein Original-Ersatzteil des OEM haben möchte?
In diesem Falle müssten die Hersteller ihre Lieferketten beibehalten oder zumindest, siehe das Beispiel VW, eigene regionale Druckzentren weltweit errichten.
Hinzu kommt der rechtliche Aspekt der Haftung. So manchem autoaffinen Bastler wurde bereits die TÜV-Plakete verweigert, weil er die allgemeine Betriebserlaubnis der zusätzlich montierten Nebelscheinwerfer nicht vorweisen konnte, die besagt, dass nach fachkundiger und kostenpflichtiger Prüfung genau diese Scheinwerfer auf genau dieses Fahrzeug montiert werden dürfen, ohne eine Gefahr für den Straßenverkehr darzustellen.

Erscheint da nicht ein – plakativ gesagt – vom Paketzusteller während der Fahrt ausgedruckter Bremssattel als eine für den Straßenverkehr womöglich größere Gefahr?
Dass es möglich ist, einen Bremssattel aus Metall, in diesem Falle aus Titan, auszudrucken, beweist gerade Bugatti bei seinem Chiron, dem derzeit schnellsten Auto der Welt.(3) Der Ausdruck dieses Präzisionsbauteils erfolgt dabei unter kontrollierten Werkstattbedingungen mit anschließender Qualitätskontrolle.
Wer aber haftet, wenn der von einem Privatmann in seiner Garage oder vom Logistikunternehmen während der Fahrt ausgedruckte Bremssattel unter Belastung versagt, und dabei gar Menschen zu Schaden kommen?
Diese rechtliche Frage muss noch geklärt werden. Eine mögliche Antwort darauf liefert Markus Kückelhaus, Vice President Innovation and Trend Research bei DHL Customer Solutions & Innovation, der sagt, „nicht alle Produkte sollten, können oder werden mit 3-D-Druckern produziert werden“.(5) Daneben gibt es jedoch auch eine ganze Reihe von Produkten, die weniger präzise hergestellt werden müssen und sicherheitskritisch deutlich weniger relevant sind.

Kann dabei eine gleichbleibende Produktqualität nicht garantiert werden, wäre es vorstellbar, dass eine Kostenrechnung, welche die Einsparungen des endkundennahen 3-D-Drucks den Aufwendungen durch Garantiefälle gegenüberstellt, darüber entscheidet, ob ein Produkt für den 3-D-Druck beim oder auf dem Weg zum Kunden geeignet ist. Und schließlich gibt es auch Produkte, die geradezu prädestiniert für die individuell an den Endkunden angepasste Herstellung im 3-D-Druck sind. Ein typisches Beispiel hierfür sind kundenspezifisch hergestellte Schuhsohlen. Der 3-D-Drucker wird mit konventionell oder auch im 3-D-Druck hergestellten Schuhen bestückt, in die die Sohlen „eingedruckt“ werden. Dieses als „Postponement“ bezeichnete Verfahren der kundenindividuellen späten Differenzierung eines Standartprodukts in verschiedene Varianten greift auch der DHL-Report auf und wäre in Anbetracht der derzeitigen Möglichkeiten des 3-D-Drucks kurzfristig umsetzbar.

Eine Studie von Bain & Company aus dem Jahre 2013 zeigt, dass derzeit ca. 10 % der Online-Konsumenten die bereits jetzt angebotenen Möglichkeiten der Produktindividualisierung nutzen und weitere 25 % bis 30 % daran interessiert sind. Werden künftig 25 % Nutzer zugrunde gelegt, kommt Bain & Company in seiner Studie auf einen Umsatz für den Bereich Schuhwerk von 2 Milliarden US-Dollar jährlich.(7)

Additive Fertigung: Eine Schicht nach der anderen wird addiert bis das Druckobjekt fertig ist. Durch dieses Fertigungsverfahren kommen auch die Rillen an 3-D-Modellen zustande.

Die bisher beschriebenen Veränderungen in den Lieferketten entspringen in erster Linie Initiativen der Hersteller oder der Logistikunternehmen. Beachtet werden sollte jedoch auch das Verhalten der Konsumenten in Bezug auf die neuen Möglichkeiten der 3-D-Drucktechnik. Laut einer Erhebung des jungen Amsterdamer Unternehmens 3-D Hubs haben jetzt bereits eine Milliarde Menschen Zugang zu einer 3-D-Produktionsstätte in höchstens 16 km Entfernung. Und Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Zahl der 3-D-Drucker jährlich verdoppeln wird, bei sinkenden Anschaffungskosten. Was derzeit noch eher ein Hobby einzelner Technologiebegeisterter ist, könnte dann zu einer alltäglichen Gebrauchssache werden: Der 3-D-Drucker zu Hause, mit dessen Hilfe der Konsument selbst die Supply-Chain-Prozessschritte überspringt, sich nur noch das Grundmaterial liefern lässt und seine neuen Schuhe, um beim Beispiel zu bleiben, zu Hause zu einem beliebigen Zeitpunkt selbst ausdruckt. Inwieweit dieses Szenario eintreten wird, ist schwer vorherzusagen. Immerhin sind 90 Prozent der Teilnehmer einer unter den Bundesbürgern Anfang 2017 durchgeführten repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbands Bitkom der Meinung, dass sich der 3-D-Druck auf lange Sicht in Privathaushalten durchsetzen wird.(8)

Sollten sich diese Erwartungen erfüllen, würde dies zu einem Umsatzrückgang im (physischen) Onlinehandel und bei den Transportmargen führen. Mit einer halb- oder einjährlichen Lieferung von Grundmaterial lässt sich kaum der gleiche Umsatz erzielen wie mit der ein- oder zweiwöchentlichen Lieferung eines Produkts. Und die „Versandkosten“ der digitalen Herstelldaten für den hausgemachten 3-D-Druck werden dies auch nicht ausgleichen können.
Die Sichtweise „Warum in ein Geschäft gehen, wenn man auch online aussuchen und die Ware kostenlos nach Hause geliefert bekommen kann?“ ist ursächlich für die Umsatzverschiebung vom Einzelhandel zum Onlinehandel. „Warum auf die Lieferung warten, wenn ich die Ware jetzt direkt selber herstellen kann?“ könnte ursächlich werden für eine Umsatzverschiebung des physischen Onlinehandels hin zum digitalen Onlinehandel, gleiche Produktqualität vorausgesetzt.

Dem auf dem Rückzug befindlichen Einzelhandel könnte der 3-D-Druck dagegen neue Impulse geben. Vom reinen Vertriebs- und gelegentlich auch Reparaturcenter könnten sich manche Einzelhandelsgeschäfte zu einer Mikrofabrik wandeln. Bei geringerer Lagerhaltung und gleichzeitig erhöhter Produktvielfalt, und ein bisher vorhandener Reparaturservice könnte sich in einen 3-D-Kopierservice wandeln. In der Studie des Digitalverbands Bitkom gaben 55 Prozent der Befragten an, bereits jetzt gerne einen „3-D-Copyshop“ in der Nähe nutzen zu wollen.

Lautsprechergehäuse aus 3-D-Drucker

Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass der 3-D-Druck die Lieferketten revolutionieren und den Logistikunternehmen dabei auch Raum für neue Geschäftsideen und -beziehungen geben wird. Eine vollständige Verdrängung des konventionellen Warenverkehrs ist jedoch nach derzeitigem Stand der Technologie, sowie unter den Gesichtspunkten von Garantie und Haftung, gewerblichen Schutz- und Urheberrechten und auch dem mit manchen Produkten verknüpften Hersteller-Renommee, nicht zu erwarten.
Etwas hypothetischer einzuschätzen ist das Ver­halten der Konsumenten. Die „Homeproduction“ und der Handel digitaler Herstelldaten werden mit Sicherheit zunehmen, zu Lasten des Handels mit physischen Waren. Ob aber zumindest in Deutschland mit einer zu über 60 Prozent zur Miete wohnenden Bevölkerung jeder Haushalt sich seine eigene Mikrofabrik ins Wohnzimmer stellen möchte, ist fraglich.
In jedem Falle aber wird die 3-dimensionale Zukunft den Warenhandel und Güterverkehr verändern. //

 

 

Autorenvita Prof. Dr. Welf Wawers

 

 

Quellen:
(1) https://www.strategyand.pwc.com/de/pressemitteilungen/3d-druck; Aufruf: 25.04.2018
(2) https://www.daimler.com/nachhaltigkeit/produktion/3d-druck.html; Aufruf: 25.04.2018
(3) https://logistik-aktuell.com/2018/02/27/3d-druck-in-der-autoindustrie/; Aufruf: 25.04.2018
(4) https://www.dhl.com/en/about_us/logistics_insights/dhl_trend_research/3d_printing.html; Aufruf: 25.04.2018
(5) https://3druck.com/visionen-prognosen/dhl-veroeffentlicht-trend-report-3d-druck-und-die-zukunft-der-lieferkette-3651894/; Aufruf: 25.04.2018
(6) „Providing services related to item delivery via 3D manufacturing on demand“; US-Patent Nr. US 2015/0052024 A1; Pub. Date Feb 19, 2015
(7) https://www.bain.com/publications/articles/making-it-personal-rules-for-success-in-product-customization.aspx; Aufruf 25.04.2018
(8) https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Bundesbuerger-sagen-3D-Druck-grosse-Zukunft-voraus.html; Aufruf 25.04.2018
Beitragsbild /  Lizenz / Quelle
Lautsprecher: Von Leuchtender Hund – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67013506
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Überarbeitete Richtlinie über Zahlungsdienste (PSD2)

PSD2 löst die Zahlungsdienste-Richtlinie (2007/64/EG) PSD vom 13. November 2007 ab und ist seit dem 13. Januar 2018 gültig.

von Andreas Fuhrich

Am 8. Oktober 2015 verabschiedete das Europäische Parlament den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Schaffung sichererer und innovativerer europäischer Zahlungen (PSD2). Die neuen Regeln zielen darauf ab, die Verbraucher besser zu schützen, wenn sie online bezahlen, die Entwicklung und Nutzung innovativer Online- und Mobilfunkzahlungen zu fördern und die grenzüberschreitenden europäischen Zahlungsdienste sicherer zu machen.

Kommissar Jonathan Hill, zuständig für Financial Stability, Financial Services und Capital-Markets-Union, sagte: „Diese Gesetzgebung ist ein Schritt in Richtung eines digitalen Binnenmarktes, der den Verbrauchern und Unternehmen zugutekommt und der Wirtschaft helfen wird.“

Am 16. November 2015 verabschiedete der Rat der Europäischen Union die PSD2, Richtlinie (EU) 2015/2366. Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in ihre nationalen Gesetze und Vorschriften umzusetzen. Die überarbeitete Richtlinie über Zahlungsdienst wurde in Deutschland mit dem Gesetz zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdiensterichtlinie am 13. Januar 2018 umgesetzt. Am 27. November 2017 hat die EU-Kommission Vorschriften zu PSD2 verabschiedet, die elektronische Zahlungen in Geschäften und im Internet sicherer machen sollen. Nach Annahme der technischen Regulierungsstandards durch die Kommission haben das Europäische Parlament und der Rat drei Monate Zeit, um diese zu prüfen. Die neuen Vorschriften werden vorbehaltlich des Prüfungszeitraums im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Banken und andere Zahlungsdienstleister haben dann 18 Monate Zeit, um die Sicherheitsmaßnahmen und Kommunikationsinstrumente einzuführen.

Die neue EU-Zahlungsdienste-Richtlinie PSD2 soll Finanz-Start-ups stärken. Die Banken werden verpflichtet, Schnittstellen einzurichten, die Zahlungsdienstleistern den Zugriff auf die Konten der Bankkunden ermöglichen. Allerdings ringen FinTechs und Banken um die richtige Auslegung – und die Frage, wie sie auf Kundendaten zugreifen dürfen. Die Banken beharren darauf, dass künftig nur noch Daten über spezielle Schnittstellen und nicht mehr direkt übers Onlinebanking – im Fachjargon Screen Scraping – abgefragt werden. Über die datenschutzrechtlichen Aspekte des Zugriffs externer Dienstleister, beispielsweise bei Missbrauch der Kundendaten durch Dienstleister, besteht in Deutschland noch keine Einigkeit.

Die Schweiz muss die PSD2-Regulierung der EU nicht umsetzen, dennoch wird diskutiert, ob eine PSD2-äquivalente Regulierung eingeführt werden soll. In der Schweiz gewähren die Banken bereits heute Drittanbietern Zugriff auf Konten und öffnen die Kundenschnittstelle, wenn dies im beidseitigen Interesse von Bank und Kunden ist. Ein gesetzlicher Zwang für die Banken besteht jedoch nicht. Die Schweiz setzt somit auf marktwirtschaftliche Lösungen. Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) lehnt eine Regulierung analog zu PSD2 respektive eine gesetzlich erzwungene Öffnung der Zugriffsrechte für Dritte ab. //

Verschlüsselung ist nicht alles

Verbraucherdaten sind zu schützen – Datensicherung und Anonymisierung im Handel

von Dr. Christoph Hönscheid

Aufgrund der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) muss auch der Handel wirksame Maßnahmen zum Schutz von Informationen ergreifen. Gerade in dieser Branche werden Daten häufig in Bereichen verarbeitet, über die das Unternehmen keine Kontrolle hat, so zum Beispiel bei den großen Cloud-Anbietern in den USA. Anonymisierungs-Gateways als „Single Point of Control“ können kritische Daten auf ihrem Weg dorthin „entschärfen“, ohne die Funktionen betroffener Applikationen zu beeinträchtigen.

Der Handel gehört seit Jahren zu den bevorzugten Zielen von Cyberkriminellen: Hier können sie, sofern sie mit ihrem Treiben erfolgreich sind, an große Mengen von Kundendaten kommen, und hier fällt ihnen der Erfolg oft genug recht leicht, weil die Unternehmen ihre Daten weniger gut schützen als beispielsweise in der Industrie, im Finanzsektor oder im Bereich Forschung und Entwicklung. Dabei sind Daten im Handel und besonders im Einzelhandel in hohem Maße „kritisch“ – Verbraucherdaten, vielleicht sogar mit Informationen über Kreditkarten oder Bankverbindungen lassen sich schneller und unkomplizierter monetarisieren als Daten, die in anderen Bereichen abgegriffen wurden.

Mit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die ab Mai endgültig in Kraft tritt, ändern sich jedoch auch für den Handel die Rahmenbedingungen der Datensicherheit. Wenn Unternehmen massive Strafzahlungen vermeiden wollen, müssen sie beizeiten wirksame Maßnahmen ergreifen, um für alle Geschäftsanwendungen einen höchstmöglichen Schutz der personenbezogenen Informationen sicherzustellen. Die DSGVO fordert den Schutz personenbezogener Daten über deren gesamten Lebenszyklus hinweg – Unternehmen müssen also jederzeit die volle Kontrolle über diese Daten behalten, von der Erfassung bis zur Archivierung. Das gilt für selbstentwickelte Anwendungen ebenso wie für Standard-Software und natürlich auch für Cloud-Services – es sind also beispielsweise sowohl die Anwender von SAP als auch von Salesforce betroffen.

Auch im Handel lagern ja immer mehr Unternehmen Geschäftsprozesse in die Cloud aus, da Cloud-Services hinsichtlich Flexibilität, Skalierbarkeit und Kosten unübersehbare Vorteile bieten. Die Sicherung von Ge-schäftsdaten – und damit auch Kundendaten – ist aber in Cloud-Anwendungen immer eine besondere Herausforderung. So hat das jewei-lige Unternehmen dann nicht mehr die alleinige und vollständige Kontrolle darüber, wie mit den Daten verfahren wird. Insbesondere aber schreiben regulatorische Vorgaben gerne vor, dass Daten den betreffenden nationalen Geltungsbereich nicht verlassen dürfen. Wer also zum Beispiel die Kundendaten seiner chinesischen Niederlassung mit Salesforce verarbeiten möchte, das wiederum die Daten in einem japanischen Rechenzentrum speichert, hat ein Problem, das sich ohne Verschlüsse-lung oder Verschleierung der Daten nicht beheben lässt. Nur so ist sichergestellt, dass die Daten unkenntlich das Land verlassen und erst wieder lesbar werden, wenn sie zurückkommen.

Insbesondere regulatorische Vorgaben sehen oft vor, dass Daten den jeweiligen nationalen Geltungsbereich nicht verlassen dürfen.

Für die Sicherung sensibler Daten in der Cloud eignet sich besonders eine spezielle Cloud-Data-Protection-Lösung – ein Anonymisierungs-Gateway, das sämtliche sensiblen Informationen verschlüsselt oder verschleiert, bevor sie überhaupt erst an die Cloud-Anwendung übermittelt werden. Wichtig sind dabei die folgenden Anforderungen:

  • Das Gateway sollte so flexibel sein, dass es für eine Vielzahl von Cloud- oder Web-Anwendungen und Datenbanken angepasst werden kann;
  • die Lösung darf die Funktionalität der Anwendungen trotz Veränderung der Daten nicht einschränken; Funktionen wie Suchen, Sortieren und Reporting müssen weiterhin problemlos möglich sein.

Anonymisierungs-Gateways bieten für die Verschleierung der Daten einen „Single Point of Control“, der unabhängig von den Anwendungen und den zu schützenden Daten administriert wird. Die Cloud-Anwendung erhält zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf Schlüssel oder Daten im Klartext, denn die Schlüssel verbleiben ausschließlich beim Gateway und damit beim Anwenderunternehmen. Sie werden dort von speziellen Sicherheitsadministratoren verwaltet, die zwar bestimmen, welche Nutzer die Informationen im Klartext lesen dürfen, die aber selbst keinen Zugriff auf Anwendung und Speicherort der Daten haben. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel für Handelsunternehmen komplette Supply-Chains in der Cloud abbilden, ohne dass dadurch die Daten gefährdet werden. Anonymisierungs-Gateways arbeiten mithilfe eines flexiblen Template-Konzepts, das die Möglichkeit zur selektiven Datenverdunklung bietet. Mit anpassbaren Templates können Unternehmen die wirklich kritischen Daten auswählen und diese gezielt so verbergen, dass sie von der Anwendung noch akzeptiert werden.

Grenzen der Verschlüsselung

Unbestritten ist Verschlüsselung für die Bewältigung dieser Aufgabe eine performante und sichere Methode, um die Daten zu schützen. Sie ist aber nicht in jedem Fall die ausreichende Antwort. Verschlüsselte Daten sind ja nicht mehr als kryptische Zeichenketten, die nicht mehr erkennen lassen, dass sie zuvor beispielsweise eine Postleitzahl waren. Genau dies erwarten Anwendungen allerdings und prüfen, ob in das Feld „PLZ“ wirklich eine fünfstellige Zahl eingegeben wird. Außerdem sollte für Auswertungen oder Reports eine Postleitzahl zwar nicht konkret identifizierbar, aber doch weiterhin als Postleitzahl einer Region erkennbar sein.

Diese Anforderungen löst die Technik des Data-Maskings beziehungsweise der Data-Obfuscation (Datenverdunklung): Hier werden die Daten nicht einfach verschlüsselt, sondern so verschleiert, dass ihre Struktur weiterhin erhalten bleibt; eine Postleitzahl sieht also nach wie vor wie eine Postleitzahl aus, lediglich ihr Inhalt wurde so verändert, dass keine Rückschlüsse mehr auf den betreffenden Datensatz möglich sind. Das Gateway löst die Verschleierung beim Abruf der Daten durch berechtigte Personen dann wieder auf. Die betreffenden Anwendungen und Datenbanken funktionieren weiterhin einwandfrei; zugleich ist den Vorschriften Genüge geleistet, denn es gingen keinerlei Klardaten nach draußen.

Handelsunternehmen erfüllen mit einem Anonymisierungs-Gateway gleich mehrere Anforderungen: Sie sichern die Kundendaten und damit ihr wertvollstes Kapital; sie erfüllen die gesetzlichen Vorgaben und vermeiden damit Strafen; sie halten ihre ERP- und CRM-Anwendungen auch in Infrastrukturen, die sie nicht kontrollieren können, trotzdem weiter voll funktionsfähig, sodass sie weiter wettbewerbsfähig agieren können. //

Autorenvita: Dr. Christoph Hönscheid

 

 

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